Wenn der Wille eines Menschen nicht klar ist, raten Experten mehrere Vertraute einzubeziehen. Teilvollmachten können helfen.

Stuttgart - Oft ist es nicht damit getan, eine Patientenverfügung zu verfassen. Wer kann schließlich ahnen, wie es im Fall einer lebensbedrohlichen Erkrankung um einen bestellt sein wird, welche Behandlungen dann anstehen und wie man diese beurteilt. Es ist fast unmöglich, in einer Verfügung jede Eventualität abzudecken, die medizinisch denkbar wäre. Daher ist es wichtig, den Text zusammen mit einem Arzt zu besprechen.

Doch nicht selten sind auch Mediziner mit dieser Aufgabe überfordert. Daher bietet die Bezirksärztekammer Nordwürttemberg ihren Mitgliedern zusammen mit einer Esslinger Initiative nun in einem bisher einmaligen Projekt eine Fortbildung in Sachen Patientenverfügung an. In dieser Fortbildung werden Ärzten die juristischen Grundlagen der Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sowie der gesetzlichen Betreuung erklärt. Es werden die medizinischen Auswirkungen der einzelnen juristisch korrekten Formulierungen diskutiert.

Außerdem werden den Medizinern die entsprechenden Formulare, von denen es mittlerweile sehr viele gibt, zur Verfügung gestellt. In dieser Fortbildung kommt auch die ethische Seite nicht zu kurz, die oft vergessen wird, im medizinischen Alltag aber eine große Rolle spielt. Menschen, die zusammen mit einem weitergebildeten Arzt eine Patientenverfügung erstellt haben, erhalten eine Art Scheckkarte für den Geldbeutel oder die Handtasche. Auf diesem Kärtchen ist vermerkt, dass diese Person ihren Willen in einer Patientenverfügung formuliert hat und eine Kopie bei dem auf der Karte vermerkten Arzt hinterlegt ist.

In einer Patientenverfügung wird festgelegt, wie sich Ärzte und Angehörige verhalten sollen, wenn ein Mensch nicht mehr selbst entscheiden kann. "Es handelt sich um eine Willenserklärung, mit Hilfe derer im Voraus entschieden wird, welche medizinischen Maßnahmen ausgeschlossen und welche gefordert werden. Damit kann jeder Mensch sein Selbstbestimmungsrecht im Voraus ausüben", erklärt Konrad Stolz, der bis vor kurzem als Jurist an der Hochschule für Sozialwesen in Esslingen unterrichtet hat.

Der Jurist empfiehlt, eine oder mehrere Vertrauenspersonen in der Patientenverfügung zu nennen - und diese Personen darüber zu informieren und vorher mit ihnen über dieses Thema zu sprechen. Allerdings ersetzt dies keine Vollmacht. Und auch Kinder oder Ehepartner erhalten diese Vollmacht nicht automatisch. Eine Vollmacht, so rät der Jurist, sollte unabhängig von der Patientenverfügung ausgestellt werden.

Vertrauensperson wird nicht kontrolliert


In einer Generalvollmacht legt man fest, wer für einen die Entscheidungen treffen soll - in jedem Bereich, egal ob finanziell oder medizinisch. Bei einer Teilvollmacht werden die Befugnisse auf einen Teilbereich eingeschränkt, bei der Gesundheitsvollmacht geht es etwa um die medizinische Versorgung. Trägt diese Vollmacht die Unterschrift des Betroffenen, so reicht dies juristisch aus. Wer aber ganz sichergehen will, sollte das Schriftstück notariell abfassen lassen, was nicht immer ganz billig ist. Gegen eine Gebühr von zehn Euro kann man die Vollmacht auch bei der Betreuungsstelle des Landratsamtes beglaubigen lassen. "Eine Vollmacht sollte man allerdings wirklich nur einer Vertrauensperson erteilen, denn diese Person wird von niemandem kontrolliert", mahnt Stolz. Das Gericht werde nur bei offensichtlichem Missbrauch angerufen. Und wenn man sich entzweie, etwa bei einer Scheidung, dürfe man nicht vergessen, die Vollmacht zu widerrufen. Denn, so betont der Jurist, eine Vollmacht habe kein Verfallsdatum.

Wer entscheidungsunfähig wird, ohne zuvor eine Vertrauensperson mit einer Vollmacht ausgestattet zu haben, erhält einen gesetzlichen Betreuer. Doch auch darauf kann man im Vorfeld Einfluss nehmen - mit Hilfe einer Betreuungsverfügung. Man könne zum Beispiel festlegen, dass sich die Nichte, aber keinesfalls die Schwägerin um die eigenen Belange kümmern solle, erläutert Stolz. Die Betreuung werde vom Betreuungsgericht kontrolliert.

Ethikkomitee berät bei strittigen Fragen


Bei Entscheidungen im medizinischen Bereich plädiert Stolz für das Vieraugenprinzip: "Die meisten Patientenverfügungen sind nicht glasklar. Daher sollten der Arzt und eine oder mehrere Vertrauenspersonen gemeinsam entscheiden, was zu tun ist." Man müsse den mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln - aufgrund bekannter Wertvorstellungen oder früherer Äußerungen. Und dies sei oft nicht einfach, sagt Nicole Pakaki. Die Palliativmedizinerin am Kreisklinikum Esslingen kennt viele dieser strittigen Fälle. "Der Neffe meint, bei der mit Darmverschluss eingelieferten, dementen Tante sei eine Operation ganz in deren Sinne, wohingegen die Nichte der gegenteiligen Ansicht ist - und beide Verwandten argumentieren sachlich und nachvollziehbar", beschreibt Pakaki einen Fall.

Wie solle der Arzt in einer solchen Situation entscheiden? Wenn sich zwei Vertrauenspersonen streiten, ob eine medizinische Maßnahme durchgeführt werden soll oder nicht, rät Pakaki dem behandelnden Arzt, sich an das Ethikkomitee zu wenden, das es an jeder größeren Klinik gebe und das sich aus Vertretern verschiedener Disziplinen zusammensetze. Man müsse derart schwierige Entscheidungen auf mehreren Schultern verteilen.