Ärzte sollen Partner des Patienten sein. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Wartezeiten erschweren das Patientenleben.

Stuttgart - Als die Veranstaltung spannend zu werden versprach, da ging sie auch schon zu Ende. Wie es denn sein könne, so fragte ein langjähriger Patient, dass man in dem angeblich "besten Gesundheitssystem der Welt" ein halbes Jahr warten müsse, um über den Hausarzt beim Facharzt einen Termin zu bekommen. Darauf konnten die Fachleute, die der Stuttgarter Arzt Suso Lederle zum Thema "Der mündige Patient - Auf dem Weg zur Selbstverantwortung" eingeladen hatte, keine wirklich befriedigende Antwort geben. Dabei wäre es für die Zuhörer hilfreich gewesen zu erfahren, wie Patienten auch unter finanziell angespannten Verhältnissen optimal versorgt werden und wie sie mit den Widrigkeiten des deutschen Gesundheitssystems fertig werden können.

 

Deutlich wurde auf dieser 154. Veranstaltung in der Reihe "Gesundheit beginnt im Kopf" im Stuttgarter Rotebühlzentrum, dass solche Widrigkeiten in Deutschland existieren - bei allen unbestreitbaren Vorteilen. So gibt es Fachgebiete, die aus Patientensicht unterversorgt sind, wie etwa die ambulante Schmerztherapie. Und große Krankenhäuser haben mit Engpässen bei Alltagsoperationen zu kämpfen, was zu längeren Wartezeiten führen kann. Das ist in der Regel noch nicht - wie in anderen Ländern - lebensbedrohend. Aber es kann das Patientenleben erschweren.

Die Eigenverantwortung des Patienten ist extrem wichtig

Die Veranstaltung beschäftigte sich nicht wie sonst üblich mit bestimmten Krankheitsbildern, sondern nahm sich der Rolle des Patienten im heutigen Gesundheitssystem an. Waren Ärzte früher oft "Halbgötter in Weiß", so seien sie heute Partner des Patienten geworden, der sich in seinen Nöten als ganzer Mensch angenommen wissen wolle und deshalb nach einer gleichberechtigten Rolle suche. Doch wie dieser Anspruch bei, statistisch gesehen, Acht-Minuten-Taktzeiten im Arztzimmer umgesetzt werden soll, das blieb weitgehend unbeantwortet. Die Stuttgarter Chefärztin Monika Kellerer vom Marienhospital machte darauf aufmerksam, dass mit dem Anspruch auf mehr Mitentscheidung auch eine erhöhte Verantwortung für den Patienten verbunden sei, die auch zur Last werden könne.

Sie räumte zudem mit dem Vorurteil auf, die meisten Diabetespatienten seien aufgrund ihrer Ernährungsgewohnheiten und ihres Lebensstils selbst an ihrem Schicksal schuld. Dabei werde im Einzelfall der genetische Faktor oft unterschätzt. Der baden-württembergische AOK-Chef Rolf Hoberg wies außerdem ausdrücklich darauf hin, dass der mündige Patient gerade bei chronischen Krankheiten eine unabdingbare Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Behandlung sei: Zum Beispiel müsse ein Diabetiker durch den täglichen Umgang mit Spritzen und Blutzuckerwerten unter ärztlicher Anleitung lernen, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Die Rolle des Patienten auf dem Podium hatte der Hamburger Journalist und Buchautor Georg Francken übernommen, der, vor 20 Jahren an Krebs erkrankt, mühsam alternative Wege bei der Behandlung durchzusetzen versuchte. Vertreter von Selbsthilfeverbänden fehlten auf dem Podium.

Hilfe für den Umgang mit Ärzten

Immerhin gab es in dem dieses Mal nur mäßig besetzten Saal auch eine Stimme, die Labsal für die Seele des Hausarztes Lederle gewesen sein muss, der seit nunmehr 18 Jahren die Reihe "Gesundheit beginnt im Kopf" organisiert, die im besten Sinne der medizinischen Aufklärung verpflichtet ist. Eine Zuhörerin, die offenbar seit Jahren Gast im Rotebühlzentrum ist, lobte die Veranstaltungen für ihren praktischen Nutzen. Sie hätten ihr Wissen vermehrt und den Umgang im Gespräch mit Ärzten leichter gemacht - auch ein Weg zur mündigen Patientin.

Buchtipp Georg Francken: Dr. Ich - Wie mündige Patienten sich im Medizinbetrieb behaupten und die optimale Behandlung finden. Trias-Verlag, 192 Seiten. 14,95 Euro.

Telefonsprechstunde Thema Medizin und Patientenrechte: Freitag, 1. Juli, 18 bis 19 Uhr, unter Telefon 0711/241774