Todd Haynes hat Patricia Highsmiths frühen, unter Pseudonym veröffentlichten Roman „Das Salz und sein Preis“ verfilmt. In der Geschichte einer lesbischen Liebe im Amerika der Fünfziger spielt unter anderem Cate Blanchett. Hätte Highsmith den Roman unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht, wäre ihre Karriere durch den Skandal ruiniert gewesen.

Stuttgart - New York, ein Kaufhaus der Fünfziger, die Spielzeugabteilung, kurz vor Weihnachten. Alles leuchtet und glänzt, in schmucken Glasvitrinen sind Puppen aus Porzellan oder Zelluloid ausgestellt, dazwischen kurvt eine elektrische Eisenbahn durch eine perfekte Miniaturlandschaft. Eine bezaubernde, heile Welt für sich, in der man herumbummeln und sich verlieren kann. Doch Therese Belivet, angehende Fotografin in ihren frühen Zwanzigern, ist nicht zum Spaß in diesem Mutter-Kind-Paradies. Sie braucht Geld und zieht trotz ihres Widerwillens die alberne Nikolausmütze über, die man ihr am Personaleingang in die Hand gedrückt hat. Während Therese (Rooney Mara) hinter ihrem Tresen artig für die gut betuchten Kundinnen lächelt, fällt ihr Blick auf eine Dame im Pelzmantel, die verloren zwischen den Spielzeugen steht.

 

Carol heißt die kühle, melancholisch wirkende Frau – so heißt auch Todd Haynes kongeniale Verfilmung von Patricia Highsmiths Roman „Salz und sein Preis“. Das Buch konnte die Kriminalautorin, deren Erstlingswerk „Zwei Fremde im Zug“ gerade von Alfred Hitchcock verfilmt worden war, 1952 allerdings nur unter dem Pseudonym Claire Morgan veröffentlichen. Das Thema einer lesbischen Liebe galt Highsmiths Stammverlag Harper & Brothers wohl als zu heißes Eisen, und die Schriftstellerin selbst befürchtete, dass die autobiografisch gefärbte Geschichte ihre Karriere negativ beeinflussen könnte.

Die lästigen Männer

Unwirtlich und gefährlich verkehrt muss sich das Leben abseits bürgerlicher Normen während der repressiven McCarthy-Ära angefühlt haben, anders ist es nicht zu erklären, dass Carol (Cate Blanchett), die schon vor der Begegnung mit Therese ihr nicht rein platonisches Interesse an Frauen entdeckte, eine Ehe einging. Und auch Therese trifft sich widerstrebend mit Richard (Jake Lacy), der ihr enervierend besitzergreifend an den Hacken klebt und beständig vom Heiraten spricht. Die Männer zeichnet Haynes als lästige und aufdringliche Gestalten, dabei extrem hilflos in ihrem Bemühen, Frauen für sich zu gewinnen und sie auf Dauer an sich zu binden. Obwohl die Ehe von Carol kurz vor der Scheidung steht, klammert ihr Mann Harge (Kyle Chandler) und droht seiner Frau mit dem Entzug der gemeinsamen Tochter.

Die Verhältnisse sind kompliziert und die äußeren Zwänge erdrückend. Dieses Klima, in dem Langeweile, Angst und gegenseitiges Misstrauen sämtliche zwischenmenschlichen Beziehungen vergiften, macht Haynes in jedem noch so winzigen Detail der luxuriös ausgestatteten, stets frostigen Szenerien des Films sichtbar. In Carols Villa herrscht eine überladene Piefigkeit, während das Kaufhaus, in dem Therese arbeitet, abseits der schönen Auslagen im Neonlicht einen leicht morbiden Charme verströmt. Ständig regnet es, und wenn Carol hinter dem Steuer ihres Wagens sitzt, verschwindet ihr Gesicht hinter den nassen Schlieren auf der Windschutzscheibe.

Zarte Mädchen, scharfe Dialoge

Die Furcht vor Entdeckung und den daraus folgenden Konsequenzen hemmt und beflügelt die sich anbahnende Liebe zwischen Carol und Therese gleichermaßen. Cate Blanchett verleiht ihrer Carol eine tiefe, verzweifelte Traurigkeit, lässt sie gleichzeitig lasziv, tatkräftig und burschikos erscheinen. Rooney Mara verkörpert Therese dagegen als zartes, unscheinbares Mädchen, das sich einerseits vor der   eigenen Courage fürchtet, andererseits von den Konventionen in ihrem Umfeld angeekelt ist.

Todd Haynes und die Drehbuchautorin Phyllis Nagy bleiben nah an Highsmiths Vorlage und treffen mühelos den ruhigen, sehnsüchtigen Ton, der die Qualität des Romans ausmacht. In unserer toleranteren, offeneren Gegenwart wäre es ein Leichtes gewesen, diese lesbische Amour fou vor nostalgischer Kulisse reißerisch auszuschlachten, entgegen Highsmiths zurückhaltender Darstellung von Intimität etwa den Sex zweier Frauen explizit zu inszenieren. Aber genau das vermeiden Haynes und Nagy und setzen lieber auf scharfe, subversive Dialoge.

Quälende Exorzismen

Wenn Carol sich nach der erzwungenen Trennung von Therese vor den Anwälten ihres Mannes rechtfertigen muss, verschafft Phyllis Nagy dieser Frau Genugtuung in einer flammenden Rede, in der Carol all ihre Ängste und ihre Wut aus sich herauspresst. Ihre Worte wirken auch heute wie ein Faustschlag in die Magengrube, und zwar nicht nur, weil Carol nach quälenden Liebesexorzismen beim Psychiater und demütigenden Essen bei den Schwiegereltern endlich Schluss macht mit der Selbstverleugnung, sondern weil ihr Protest in diesem Moment für mehr steht als nur für die individuelle Entscheidung einer einzelnen Person.

Wie Patricia Highsmith wählt auch Todd Haynes für die Liebenden ein offenes, sehr versöhnliches Ende und deutet damit alle Möglichkeiten an, die sich Menschen in der Zukunft eröffnen könnten. Nicht falsche Kompromisse sollten das Leben bestimmen, sondern die Hoffnungen auf Veränderung.

USA, Großbritannien 2015.Regie: Todd Haynes. Mit Cate Blanchett, Rooney Mara, Kyle Chandler, Jake Lacy, Sarah Paulson. 118 Minuten. Ab 6 Jahren.