Patrick Klein bietet im seinem Laden Thirdrail am Hauptbahnhof alles an, was das Graffiti-Herz begehrt. Das Stadtkind hat sich mit ihm über die Stuttgarter Szene unterhalten - und darüber, ob Graffiti überhaupt Kunst ist.

Stuttgart - Einst in der ehemaligen Bahndirektion gestartet und zwischenzeitlich direkt nebenan in der Ossietzky Strasse 8 zu finden, ist der Laden Thirdrail eine wichtige Schnittstelle für die Stuttgarter Graffiti-Szene. Betreiber Patrick Klein, selbst als Sprüher aktiv, bietet neben den obligatorischen Dosen Skizzenbücher, Schutzbegleitung oder Markern regelmässige Workshops in der sogenannten Hall of Fame in Cannstatt oder Auftragsarbeiten an.

 

Das Stadtkind sprach mit ihm über seinen Laden, Graffiti und Street Art in Stuttgart.

Du bist selbst Sprüher und dich hat es von Berlin nach Stuttgart verschlagen – also eher der umgedrehte Weg. Wie kam´s?
Als Graffiti-Sprüher kommt man viel rum. Ich habe viele Städte und Länder gesehen und Stuttgart hat mir immer sehr gefallen. Nachdem ich hier eine Weile gewohnt habe, ist mir hier das kleine, doch aber sehr gute Netzwerk aufgefallen.

In deinem Laden Thirdrail bietest du die komplette Grundausstattung und mehr für Graffiti-Künstler und andere Maler an. Wie du schon selbst sagst, ist die Szene ziemlich überschaubar. Kann man von so einem Laden leben?
Richtig, die Szene ist hier klein, aber sehr qualitativ. Reich wird man mit so einen Geschäft nicht, weil man ja auch nicht die Produkte zu Apotheken-Preisen verkaufen will. Bis wir unser Geschäft eröffneten, gab es in Stuttgart eigentlich immer nur eine sehr reduzierte Grundversorgung für die Szene. Wir machen das anders. Wir bieten mittlerweile, übrigens mindestens deutschlandweit, die größte Auswahl an Graffiti Stuff an, und beraten jeden Kunden gerne, damit jeder, egal ob Graffiti Sprüher, Architekturstudent oder die Tante Lotti von nebenan, genau das bekommt, was zum gewünschten Ergebnis führt. Das alles ist aber auch nur durch den zusätzlichen Online-Shop möglich. Außerdem ist seit kurzem unsere Auftragsagentur Graffiti-Stuttgart.de online. Wer nicht selbst kreativ werden will oder kann, bekommt von uns ein gewünschtes Motiv. Die Möglichkeiten sind riesig.

Wie beurteilst du selbst die Stuttgarter Graffiti-Szene?
Wie schon gesagt, was ich hier sehr zu schätzen weiß ist, das wir hier in Stuttgart eine sehr kleine, aber sehr feine Szene haben. Im Gegensatz zu anderen, meist größere Städten, wird man hier nicht so von der Masse an schlechten Graffitis erschlagen!

(Interview wird weiter unten fortgesetzt)

Mach mit! Das Stadtkind baut mit dir den Urban-Art-Atlas Stuttgart. Mit deiner Hilfe soll eine digitale Galerie für Urban Art in Stuttgart und Region entstehen. Die Idee: Du siehst Urban Art in Stuttgart, machst ein Foto davon und trägst es in unserer Crowdmap ein. Das dauert nicht länger als 30 Sekunden. Hier steht, wie es geht - und in der folgenden Karte siehst du, welche Urban-Art-Spots schon in der Karte eingetragen worden sind:

"In den meisten Fällen ist Graffiti keine Kunst"

Ist Graffiti eine Unterform von Street Art, sprich Street Art ein schwammiger Übergriff für alles, was „kunstmäßig“ im öffentliche Raum passiert? Oder gibt es zwischen Graffiti und Street Art einen konkreten Unterschied?
Meiner Meinung nach ist Graffiti viel größer als „Street Art“. Im Wesentlichen ist Graffiti oft nichts anderes als Coca Cola. Du verbreitest deinen Namen so oft es geht, bzw. du bekommst durch ein Pseudonym auch bei wenigen guten Bildern deinen Fame! Illegal angebrachtes Graffiti im öffentlichen Raum gefällt den meisten Leuten nicht, weil durch Zeitdruck oder nicht wollen bzw. können keine qualitativen Graffitis enstehen. Street Art hingegen spricht in der Regel durch Bilder. Hierbei kann man sich als Street-Art-Künstler durch Kreativität und Style auch einen Namen machen und eine Marke schaffen. Mich haut es allerdings nicht vom Hocker, wenn sich jemand ein Bild aus dem Netz lädt und auf einen Aufkleber druckt und in der Stadt verklebt.

Und wie siehst du die gesamte lokale Street Art Szene? Mongomania-Geiger meinte einmal: In Stuttgart gibt es keine Street Art.
Patrick: Sehe ich ähnlich. Klar gibt es hier Street Art und auch einige gute Künstler, aber eine echte Szene ist hier nicht zu finden.

Graffiti wird oft diskutiert: Für die einen ist es hohe Kunst und für die anderen, gerade wenn Häuserfassaden oder S-Bahnen besprüht werden, pure Sachbeschädigung. Wie denkt man darüber in der Szene?
Patrick: In den meisten Fällen ist Graffiti keine Kunst, selbst wenn es gut gemacht ist. Der Graffiti-Sprüher, der ein gutes Bild malt, beherrscht sein Handwerk und ist dabei oft auch sehr kreativ. Bei Kunst interpretiert der Künstler oder der Betrachter oft eine Aussage in das Bild. Der Szene ist die Meinung scheißegal. Meistens sind das eh nur Meinungen, die uns die Medien und Politik vorgeben. Was interessiert es mich, wenn ein Bild auf einer Brückenwand ist? Wenn mich das Graffiti auf der S-Bahn stören sollte, weil ich eventuell da nicht mehr durchschauen kann, dann setz ich mich woanders hin oder guck durch ein anderes Fenster – und mittlerweile schauen eh alle nur noch auf ihr iPhone. Und auf Kirchen und Denkmälern z.B. hat Graffiti nichts zu suchen.

Abschließend: Was würdest du Dir in punkto Street Art / Graffiti von der Stadt wünschen?
Patrick: Mehr legale Flächen!