Mit einer großen Marienwallfahrt feiert Bayern am Wochenende das Jubiläum der „Patrona Bavariae“. Nur Papst Franziskus, der pilgert zu einer anderen Madonna: Auch die im portugiesischen Fatima hat ja ihr Hundertjähriges.

München - Sie war ihnen gar nicht gnädig, die Herrin. Oder vielleicht war sie es doch, auf jene augenzwinkernde Art und Weise, auf die man sich mitunter auch im Himmel versteht: Vergangenen Sonntag, als die Bayerischen Gebirgsschützen in der Nähe von Bad Tölz zusammenströmten, 4000 Mann, um ganz traditionell die „Patrona Bavariae“ zu feiern, da goss es wie aus Kübeln. Nix war’s nach dem trachtenprächtigen Kirchenzug mit dem Festgottesdienst im Freien. Man musste die Messe direkt ins Bierzelt verlegen. Man konnte nicht anders. Man durfte es. Und die Grundelemente bayerischer Weltordnung fügten sich wieder wundersam ineinander. Dank ihr, der Jungfrau Maria, der Schutzherrin von Bayern.

 

Was sie zuwege bringt, die Gottesmutter in ihrer weiß-blauen Fassung, das weiß (mindestens) die halbe Welt ja schon seit 29 Jahren, seit das „Original Naabtal-Duo“ mit seiner ergreifenden Herzschmerz-Schnulze von der „Patrona Bavariae“ die Hitparaden gestürmt hat wie kein Stück dieser so genannten Volksmusik zuvor. „I hob amoi a Madl g’habt, des hat mi nimmer wolln.“ So traurig geht’s los, dieses Liedl; zum Refrain hat es ein klassisches Gebet: „Patrona Bavariae, hoch überm Sternenzelt, breite deinen Mantel aus weit über unser Land...“ Und weg, „so wie der Schnee im März“, ist dann auch jedes Herzens Schmerz: „Drum Leit, schickts eure Sorg’n zum Himmel nauf, denn dann wird alles gut.“

Naabtal-Duo und Königswünsche

Kommendes Wochenende feiert die „stärkste Frau Bayerns“, wie es in der Ankündigung heißt, auch noch ihr Jahrhundertjubiläum. Die sieben katholischen Diözesen in Bayern haben es organisiert; mitten in München, auf dem Marienplatz natürlich, zu Füßen der Mariensäule erwarten sie 10.000 Wallfahrer zum Fest. Vor hundert Jahren nämlich, mitten im Ersten Weltkrieg, hatte Ludwig III. als (letzter) bayerischer König den Heiligen Stuhl dazu gedrängt, „die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria als Patronin der Bayern zu erklären“; und nach einem lokalen Vorspiel in München war „diese Jungfrau Maria“ am 14. Mai 1917 zum ersten Mal landesweit gefeiert worden. So schnell, innerhalb von nicht einmal drei Wochen, hat der Vatikan wohl weder vorher noch nachher in der zweitausendjährigen Kirchengeschichte irgendein Gesuch genehmigt.

Inoffiziell hatte die Madonna ihren bayerischen Spezialtitel da schon lange getragen. Schon 1616 – auch damals war Krieg, der Dreißigjährige – stellte Herzog und Kurfürst Maximilian I. sein von marodierenden Schweden heimgesuchtes Volk unter den Schutz der „Patrona Boiariae“ und installierte die passende Statue plakativ außen an seiner Münchner Residenz. Da war, im Zeitalter der Konfessionskriege, viel Gegenreformatorisches dabei, ein politisches, „jetzt-erst-recht-katholisches“ Element. Der damals etablierten Tradition tat es auch keinerlei Abbruch, dass Anfang des 19. Jahrhunderts das evangelische Franken, der Großraum Nürnberg also, zum frisch gekürten weiß-blauen Königreich kam: tieffromme Marienverehrung ist ein Kennzeichen Bayerns geblieben bis heute. Das „Original Naabtal-Duo“ aus der (nach ein paar reformatorischen Wirren wieder rechtzeitig katholisch gewordenen) Oberpfalz spielte da ganz authentisch, auf sehr vertrauten Saiten.

Ein dichtes Netz an Pilgerwegen

Die Münchner Mariensäule mit der vergoldeten Bronze-Madonna obendrauf steht schon seit 380 Jahren; lange Zeit diente sie als „Punkt Null“ zur Vermessung bayerischer Straßen. Bischöfe erstatten ihr Reverenz, wenn sie nach München kommen oder gehen: Joseph Ratzinger beispielsweise, als Erzbischof zunächst, als Papst danach. Allein in der Diözese München sind an die 400 Kirchen der Gottesmutter geweiht; ein dichtes Netz von Wallfahrtswegen – hauptsächlich nach Altötting, zum Bogenberg, nach Ettal, aber auch zu kleineren „Gnadenorten“ – durchzieht den Freistaat. Und diese Wege werden begangen bis heute. Wobei man den Ausdruck „begangen“ im Zeitalter eines neu erstarkten Pilger-Interesses durchaus wörtlich nehmen darf.

Die Madonna und das Attentat

Dass München nun ausgerechnet den 13. Mai als Festtag nutzt, das hatte – so heißt es im Erzbischöflichen Ordinariat – rein organisatorisch-technische Gründe. Dabei ist gerade dieses Datum für marienfromme Katholiken hoch aufgeladen: Am 13. Mai vor genau hundert Jahren soll die Jungfrau Maria den drei Hirtenkindern im portugiesischen Fatima zum ersten Mal erschienen sein. An einem anderen 13. Mai – 1981 war das – verübte der Türke Ali Agca mitten auf dem Petersplatz in Rom sein Attentat auf Papst Johannes Paul II. Dieser überlebte, schwer verletzt, und schrieb nachher der Madonna von Fatima seine Rettung zu: „Eine Hand hat geschossen, eine andere die Kugel gelenkt.“ Später ließ Johannes Paul II. das Projektil in Gold fassen und in die Krone der Marienstatue zu Fatima einarbeiten.

Um Maria als mächtige Schutzherrin zu ehren und ihr Jubiläum zu feiern, begibt sich auch Papst Franziskus zum 13. Mai auf Pilgerfahrt. Nach Fatima allerdings. Die „Patrona Bavariae“ hat sich in diesem frommen Wettstreit der Wallfahrtsziele nicht ganz durchsetzen können.