Der Berliner Elektromusiker Paul Kalkbrenner begeistert Tausende in der Schleyerhalle mit seiner Show - wie andere mit einer ganzen Band.

Stuttgart - Um es gleich zu sagen: es hat funktioniert. Ein Mann macht Musik am Mischpult und die ganze große Schleyerhalle tanzt. Wer oft Rock- und Popkonzerte besucht, mag irritiert gewesen sein über ein solches Event an einem solchen Ort. Doch Paul Kalkbrenner ist der zurzeit populärste deutsche Technoproduzent und Live-Act – ein Star. Wenn er dort oben auf der Bühne steht, wo normalerweise eine ganze Kapelle musiziert, verschwimmen die Grenzen zwischen Popkonzert und klassischem DJ-Set.

 

Als Vorband sozusagen fungiert Fritz Kalkbrenner, der Bruder und Kollege, der seinen Job ja genauso leidenschaftlich macht. Danach wird umgebaut, auch das ist irgendwie gewöhnungsbedürftig. Und schließlich erscheint Paul unter frenetischem Applaus über dem Publikum. Er grinst, winkt und lässt sich feiern, als wäre er eine Fußballmannschaft. Er setzt den Beat ein, und gleich tanzt die Masse, die etwa 40 Euro für das Ticket bezahlt hat, und himmelt ihn an. Drei Stunden geht das so, und man muss unweigerlich an den Satz „God is a DJ“ denken.

Was gibt's hier zu sehen?

In diesen drei Stunden mischt Kalkbrenner eigene Tracks zusammen, er baut aber auch, na ja, Hits, wie „Wir werden sehen“ von 2raumwohnung ein oder „Praise you“ von Fatboy Slim. Dazu wabern auf den vier trapezförmigen Leinwänden blaue Punkte und blitzen neonfarbene Strahlen. Irgendwann verlässt Paul Kalkbrenner plötzlich seine Kanzel, die Musik verstummt für zwei Minuten. Ach ja, auch Elektromusiker wechseln ihr Bühnenoutfit. Er tauscht das rote T-Shirt gegen sein weißes Lieblingstrikot der Fußballnationalmannschaft. Wieder Jubel. Kalkbrenner sagt nichts, grinst nur wieder. Mehr Interaktion mit dem Publikum ist nicht. Wozu auch?

Trotzdem ist das alles seltsam. Zu elektronischer Tanzmusik macht man eigentlich die Augen zu, spürt die Bässe im Bauch und lässt sich tragen. Aber hier gibt es Sitzplätze, und manch einer sitzt mit seinem „Kalkbrenner“-Shirt oben auf den Schultern seines Begleiters wie bei einem Festival. Nur: was gibt’s zu gucken? Einen zappelnden 34-jährigen Mann auf der Bühne, der an den Reglern zupft und dreht und dabei immer wieder an seiner Zigarette zieht. Man sieht, dass er hirnt und schwitzt. Dass Musik machen richtig Arbeit ist. Aber sonst? Zum Schluss schreien alle „Zugabe“. Kalkbrenner spielt sie. Endlich kommt „Sky and Sand“, die Hymne, die ja einen Text hat, sich also mitsingen lässt, und dann noch ein geliebtes Lied aus dem Film „Berlin Calling“, „Aaron“. Dann ist Schluss, Punkt halb eins. Die Gebrüder Paul und Fritz – gerade herbeigeeilt – verneigen sich.