Vordergründig geht es in Paul Kohls „Hitlers Prophet“ um das Schicksal das Wahrsagers Erik Jan Hanussen. Tatsächlich schildert Kohl jedoch den Untergang des freien Berlin nach der Nazi-Machtergreifung.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Berlin - Der Wiener Journalist Martin Stemmer kommt Anfang 1933 nach Berlin. Sein Auftrag: Das Schicksal seines Kollegen Ludwig Lechner aufklären. Eigentlich ist Lechner Korrespondent der Wiener Arbeiterzeitung, doch seit Wochen lässt er nichts mehr von sich hören. Die Kollegen in Wien sind unruhig, denn es sind bewegte Zeiten in Berlin: Die Nazis stehen kurz vor der Machtergreifung, tödliche Straßenschlachten zwischen Kommunisten und militanten Wehrverbünden sind an der Tagesordnung.

 

Zuletzt hatte Ludwig Lechner im Umfeld des popluären Hellsehers Erik Jan Hanussen recherchiert, stellt Stemmer bald fest. Der Journalist beginnt mit seiner Spurensuche und steckt alsbald mitten im Schlamassel: Offenbar wusste Hanussen nicht nur zu viel über die Machenschaften der SA in Berlin, sondern ist obendrein noch Jude. Als glühender Sympathisant Adolf Hitlers, der Hanussen ebenfalls ist, ist dies bekanntermaßen nicht eben eine Empfehlung. Im Laufe seiner Recherchen gerät Stemmer selbst ins Visier der wildgewordenen Nazihorden.

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Der Kölner Hörfunk- und Buchautor Paul Kohl hat mit „Hitlers Prophet“ ein Buch vorgelegt, das als „Historischer Kriminalroman“ angekündigt wird, aber doch eher ein Sittengemälde des politisch völlig außer Rand und Band geratenen Berlins des Jahres 1933 ist. Kohl schildert die Monate, in denen die Nazis nach Hitlers Machtergreifung mit den „politischen Säuberungen“ beginnen.

Schicksal des Wahrsagers Hanussen letztlich ungeklärt

Kohl beschreibt die historische Realität, so weit sie denn feststeht, denn das Schicksal des Wahrsagers Hanussen ist nicht gänzlich geklärt. Klar scheint nur, dass er von den Nazis in einem abgelegenen Waldstück erschossen wurde. Ob es nun daran lag, dass seine jüdische Herkunft bekannt geworden war, oder ob ihn Nazi-Bonzen aus dem Weg räumen wollten, weil sie bei ihm verschuldet waren, bleibt unklar.

Kohls Protagonist Martin Stemmer wird also Zeuge, wie das Berlin der Weimarer Republik endgültig untergeht und entgeht selbst dem Tod nur um Haaresbreite. Doch auch wenn Stemmer überall dabei ist: In der Schilderung bleibt er seltsam unbeteiligt – und stellt sich bei seinen Recherchen und Ermittlungen bisweilen so dämlich an, dass der Leser ihn in die Spree stoßen möchte. Lesenswert ist „Hitlers Prophet“ vor allem, weil Paul Kohl den Tanz der Berliner auf dem Vulkan eindringlich und anschaulich schildert.

Paul Kohl: Hitlers Prophet. Ein historischer Kriminalroman. Emons Verlag Köln 2017. 336 Seiten, Broschur, 11,90 Euro.