„Wie sauber sind Ihre Kleider?“ war am Sonntag die zentrale Frage beim Mittendrin-Gottesdienst.

Stuttgart-Zuffenhausen - Kleiderständer in der Pauluskirche, Barbie-Puppen auf dem Altar – es war ein ungewohntes Bild, das sich den Besuchern am Sonntag in der Pauluskirche an der Unterländer Straße in Zuffenhausen bot. Aber Mittendrin-Gottesdienste sind ja auch keine alltägliche Angelegenheit, finden sechs Mal im Jahr unter außergewöhnlichen Überschriften zu ungewöhnlichen Themen statt, mit Kinderbetreuung und gemeinsamen Imbiss. „Kann denn Mode Sünde sein?“ lautete dieses Mal das Thema, das im Verlauf des Abends geistlich, informativ und sogar praktisch beleuchtet wurde: Allerdings ging es nicht um den modischen Fauxpas, sondern um Produktionsbedingungen, Arbeiterausbeutung und Umweltsünden. „Wie sauber sind Ihre Kleider?“ fragte Referentin Kinga von Gyökössy-Rudersberg – und meinte damit nicht die porentiefe Reinheit der Lieblingssocken, sondern die Produktionsbedingungen in der Dritten Welt und in einigen Tigerstaaten. Dort wird Kleidung für wenig Geld, aber mit großem Schaden für Mensch und Umwelt produziert.

 

Beim Mittendrin-Gottesdienst in der Pauluskirche stieß das Thema auf großes Interesse: Unlängst hat ein Brand in einer Textilfabrik in Bangladesh die katastrophalen Arbeitsbedingungen auch hierzulande ins Bewusstsein gerückt. Und: Gerade ist Zuffenhausen Fairtrade-Stadtbezirk geworden. Allerdings: Wenn man schon bei Lebensmitteln kaum wissen kann, was enthalten ist und woher sie kommen – bei Kleidung ist es fast unmöglich.

„Das ist doch alles eine Schande“

Das, so berichtete die Referentin, liege vor allem an den verschlungenen Wegen, die Rohstoffe und Stoffe nehmen, bis das Endprodukt auf dem Verkaufstresen landet: Es könne leicht sein, dass aus usbekischer Baumwolle in Brasilien Stoff und in China Kleidung würde. Damit man diese hier trotzdem zu Schleuderpreisen und mit Profit verkaufen könne, müsse unter unmenschlichen Bedingungen produziert werden und an Orten, die weder Arbeitsschutz noch Umweltauflagen kennen. So wie die Barbie-Puppenkleider, die auf dem Altar ausgestellt waren: Das Spielzeug würde in Indonesien von Kleinkindern genäht.

Nach Trommelklängen von der Banda Maracatú, dem eigentlichen Gottesdienst und der Einführung teilten sich die Besucher in vier Arbeitsgruppen auf und hatten die Qual der Wahl: Im Seitenraum wurde ein Film spanischer Aktivisten zum Thema billige Berufskleidung vorgeführt. Im Paulusstüble konnte man Zeitschriften zu Papierperlen recyclen. Oder als Küchenteam für den Imbiss danach sorgen.

Oder aber das Thema bei einer Fragerunde mit der Referentin vertiefen. Die meisten entschieden sich hierfür und diskutierten interessiert, selbst draußen vor der Tür. „Damit fängt es ja erst an“, sagte etwa ein Besucher: „Unsere Arbeitsklamotten werden zum Beispiel per Lkw in die Reinigung nach Polen gefahren und wir bekommen hier von der Bleiche Ausschlag. Ganz zu schweigen davon, dass dabei Arbeitsplätze verloren gehen. Das ist doch alles eine Schande!“

Abhilfe schaffen wird schwer

Eines zeigte sich an diesem Abend: Abhilfe schaffen wird schwer, zumal so gut wie keine Textilindustrie in Deutschland verblieben sei und deshalb die direkte Kontrolle fehle, wie Kinga von Gyökössy-Rudersberg sagte. Allerdings bestimme immer noch der Verbraucher den Markt. Die Referentin empfahl, sich kundig zu machen – es gebe Nischenbetriebe, die zwar im Ausland produzierten, aber zu fairen und gesunden Bedingungen für die Arbeiter.

Wegen der fehlenden Kennzeichnungspflicht bei den großen Ketten sei hier das Internet die Verkaufsplattform der Wahl. Außerdem müsse man sich fragen, ob man wirklich so viele Kleider brauche und immer nach der neuesten Mode gekleidet sein müsse. Die Referentin empfahl, lieber mal mit anderen zu tauschen. Und: „Ich kaufe ja am liebsten Second-Hand – da hat jemand anderes schon die Schuld gehabt.“