Am Sonntag, 28. Februar, wird mit einem Gedenkgottesdienst an den Künstler Willy Wiedmann erinnert, der vor 30 Jahren die Pauluskirche ausgemalt hat.

Zuffenhausen - Was seinerzeit nicht unumstritten gewesen ist, hat sich zum Hingucker entwickelt: Mitte der 1980er Jahre war die Pauluskirche umgebaut und saniert worden. Im Rahmen der Umgestaltung war der Cannstatter Künstler Willy Wiedmann – nach heftigen Diskussionen im Kirchengemeinderat – damit beauftragt worden, das Gotteshaus auszumalen. In sechsmonatiger Arbeit schuf Wiedmann vier Wandgemälde und drei große Friese zu verschiedenen biblischen Themenkreisen. Angeregt durch diese Aufgabe, hatte sich Wiedmann anschließend intensiv mit der Bibel beschäftigt. Was mit wenigen Bildern begann, endete Jahre später als die „längste Bibel der Welt“ mit 3333 Bildern in Form eines 1670 Meter langen Leporellos (faltbares Buch/Heft). Dieses Kunstwerk verschwand zunächst im Archiv. Nach dem Tod seines Vaters 2013 hat sein Sohn Martin den Nachlass gesichtet, geordnet und sich zur Aufgabe gemacht, die „Wiedmann Bibel“ öffentlich zu machen. Nun schließt sich der Kreis: Am 28. Februar veranstaltet die Pauluskirche einen Gedenkgottesdienst zu Ehren von Willy Wiedmann. Dort soll auch die „längste Bibel der Welt“ präsentiert werden.

 

Willy Wiedmann schuf die „längste Bibel der Welt“

„Die Bilder sind ein Schatz der Pauluskirche. Sie erregen die Aufmerksamkeit und regen zu Gesprächen an“, sagt Pfarrer Dieter Kümmel. Wer das Gotteshaus betrete, der sehe die Heilige Schrift sozusagen aufgeschlagen vor sich. Im Motiv vom großen Festmahl seien seines Wissens sogar einige ehemalige Zuffenhäuser verewigt worden, außerdem stehe es sozusagen symbolisch für das Programm der Kirche und der Gemeinde: Gemeinsames Essen und Trinken, wie beispielsweise beim Kirchenschmaus, führe Menschen zusammen. Bis seinerzeit freilich klar gewesen wäre, das berichtet Kümmel, dass Willy Wiedmann den Auftrag erhält, habe es einige Diskussionen im Kirchengemeinderat gegeben. Schließlich hätten sich die Befürworter aber durchgesetzt. Der Kontakt zwischen Kümmel und dem Sohn des Künstlers ist vergangenes Jahr beim evangelischen Kirchentag in Stuttgart zu Stande gekommen.

Das Alte und Neue Testament zu illustrieren, das sei seinem Vater nicht immer leicht gefallen, erzählt Martin Wiedmann. „Da geht man so in seine Seele selbst hinein, dass man sich wirklich überlegen muss, ob man das auch durchhält“, hatte Willy Wiedmann einmal in einem Beitrag der SDR-Abendschau 1994 gesagt. Der Sohn möchte nun dafür sorgen, dass so viele Menschen wie möglich die „längste Bibel der Welt“ in Augenschein nehmen können. Natürlich möchte Wiedmann auch Geld damit verdienen, Teile der Erlöse sollen für ein Projekt der Deutschen Bibelgesellschaft in Pakistan gespendet werden.

Seine Malerei bezeichnete Willy Wiedmann als „Polykon-Stil“. Dieser Begriff leitet sich aus dem Griechischen her, „polys“ steht für viel, „ikon“ bedeutet Tafel. Frei übersetzt könnte man Mehrtafelmalerei sagen. Zentrale Gestaltungselemente dabei sind der 45- und der 90-Grad-Winkel. Durch die eckigen Formen ergibt sich beim Betrachter der Eindruck, dass die verschiedenen Elemente ineinanderfließen. Wichtig im Fall der Pauluskirche war seinerzeit, dass das 1956 von Christian Oehler geschaffene Glasfenster zum Thema „Pfingsten“ in das Werk integriert werden konnte.

Was es genau mit den Gemälden in der Pauluskirche (Unterländer Straße 15) als auch mit der „längsten Bibel der Welt“ auf sich hat. das wird Martin Wiedmann beim Gedenkgottesdienst am Sonntag, 28. Februar, erzählen. Mit dabei sein von 11 Uhr an werden auch Zeitzeugen und Solo-Saxofonist Werner Keller. Im Anschluss gibt es bei einem kleinen Imbiss im Paulusstüble Gelegenheit zu Gesprächen.