Im Stuttgarter Schauspiel sorgen die von Peaches um eine drastische Performance erweiterten „Sieben Todsünden“ von Brecht/Weill für Aufsehen. Ministerpräsident Kretschmann hat die Inszenierung allen Pfarrern ans Herz gelegt. Zu Recht? Ein Beitrag des katholischen Stadtdekans Christian Hermes.

Stuttgart - Nach der Premiere der „Sieben Todsünden“ / „Seven heavenly Sins“ im Schauspielhaus sagte der anwesende Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen bemerkenswerten Satz: „Ich würde allen Pfarrern und sonstigen Würdenträgern der Kirche empfehlen, sich diese Inszenierung anzuschauen, um mehr über die Todsünden zu erfahren.“ Recht so, denkt man mit Blick auf die ekelhaften Verbrechen, mit denen sich die Kirchen in ihren eigenen Reihen auseinanderzusetzen haben. Und tatsächlich hat jedenfalls ein Pfarrer die fulminante Produktion in der Regie von Anna-Sophie Mahler und Peaches, der kanadischen Ikone des Electro-Punk, miterlebt: ich selbst. Also sogar einer von der katholischen Kirche, welche die Todsünden, so die Regisseurin vorab, ja erfunden habe. Das stimmt zwar nicht, passt aber immer: Macht hat, wer nicht nur das Handeln, sondern auch das Denken, Begehren und Genießen der Menschen lenken kann. Macht hat, wer ihnen Hoffnungen wecken und Schuldgefühle auferlegen kann. Macht hat, wer erlauben oder schlimmer noch: sich erlauben kann.