Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dreht bei der Mössinger Firma Gobax eine Proberunde auf einem Rad mit Elektromotor. Gekauft hat das Staatsministerium drei Pedelecs für dienstliche Stadtfahrten der Beschäftigten aber bei einem anderen Anbieter.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein großer Tag für die kleine Firma: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) persönlich machte der Mössinger Gobax GmbH seine Aufwartung. Erst besichtigte er die Produktion von Transportfahrrädern, dann drehte er – zusammen mit Landrat und Oberbürgermeister – eine Proberunde auf einem Rad mit Elektromotor. Als Erinnerung bekam er einen Schlüsselanhänger in Form eines Stücks Fahrradkette. Wenige Monate später ist bei den Gobax-Leuten die Begeisterung über den hohen Besuch in Ernüchterung umgeschlagen. Der Grund: Als Kretschmanns Staatsministerium kürzlich drei „Pedelecs“ für dienstliche Stadtfahrten der Beschäftigten anschaffte, gingen sie leer aus. „Nicht zum Zuge zu kommen gehört zum Wettbewerb“, damit habe man kein Problem, sagt der Geschäftsführer Thomas Baumgärtner. „Eher nachdenklich“ stimme ihn aber die Argumentation, mit der die Regierungszentrale die Entscheidung gegen die Mössinger begründet habe.

 

Händler empfinden Entscheidung als „fatales Signal“

Noch deutlicher wird Ulrich Weckler vom Stuttgarter Fahrradhändler Stromrad, der dem Staatsministerium die Gobax-Räder im Rahmen der beschränkten Ausschreibung angeboten hatte. Als „fatales Signal“ empfindet er es, dass mit den Pedelecs der Marke KTM letztlich ein Produkt das Rennen machte, „das zu vermutlich 95 Prozent nicht aus Baden-Württemberg stammt“. Für ein urschwäbisches Unternehmen wie Gobax, das im Land fertige und auch die meisten Komponenten aus dem Südwesten beziehe, sei das „ein Schlag ins Gesicht“. Schon ziehen Beobachter Parallelen zu der Aufregung vor ein paar Jahren, als bekannt wurde, dass Werbeartikel für die Imagekampagne des Landes – etwa T-Shirts – aus Fernost stammten; erst nach Protesten eines schwäbischen Herstellers wurden auch heimische Firmen berücksichtigt.

Die Herkunft spielte auch jetzt eine Rolle, neben anderen Kriterien. Nach einer „Markterkundung“ hatte sich das zuständige Referat Landesmarketing nämlich schon für ein bestimmtes KTM-Rad entschieden. Man lege aber Wert darauf, hieß es zunächst, „dass die Hersteller der Zusatzprodukte“ – wie Helme oder Satteltaschen – „in Baden-Württemberg ansässig sind“. Als Stromrad mit den Gobax-Rädern „einen regionalen Vorschlag“ unterbreitete, argumentierten die Ministerialen wieder anders: Wichtig sei vor allem, „dass der Motor der E-Bikes, als der zentrale Aspekt im Bereich Elektromobilität, aus Baden-Württemberg stammt.“ KTM verfüge über einen Motor von Bosch, der der Mössinger komme dagegen aus der Schweiz; wichtige Komponenten aber, heißt es bei Gobax, würden im Südwesten gefertigt.

Für das Staatsministerium ist die Ergonomie entscheidend

Gegenüber der StZ rückte das Staatsministerium erneut einen anderen Aspekt in den Vordergrund: „Ausschlaggebend waren letztendlich ergonomische Forderungen“, hieß es da. Gemeint war der so genannte Tiefeinstieg, den nur das KTM-Rad vorweisen konnte. Daneben habe eine Rolle gespielt, dass vor allem der Bosch-Motor die „ausgeprägten Steigungen“ zwischen Villa Reitzenstein und der Innenstadt bewältigen könne. Also wurden drei Räder angeschafft, für insgesamt 6300 Euro. Nach dem „medienwirksamen Auftritt“ des Ministerpräsidenten in Mössingen fand der Stromrad-Mann Weckler das reichlich inkonsequent: KTM mache fraglos auch gute Räder, aber der Bosch-Motor werde nicht im Land gefertigt, der Rahmen stamme aus Taiwan und die Endmontage finde in Österreich statt. Vielleicht gibt es für die Mössinger ja noch eine Chance. „Das Staatsministerium steht der Anschaffung weiterer Pedelecs offen gegenüber“, teilte ein Sprecher mit. Zunächst wolle man aber in einer angemessenen Erprobungsphase testen, wie gut die Räder von den Beschäftigten genutzt würden; derzeit komme man erst auf zehn bis zwanzig Stadtfahrten.