Konsolidieren, reformieren und investieren: Für den früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück ist nur ein Dreiklang in der EU Erfolg versprechend. Er fordert eine Volksabstimmung.

Stuttgart - Für den früheren SPD-Finanzminister ist nur ein Dreiklang in der EU Erfolg versprechend: Konsolidieren, reformieren und investieren.
Herr Steinbrück, nach zwei Jahren harter Sparauflagen liegt Griechenland ökonomisch am Boden, die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch – und die Schulden auch. Wurde hier die falsche Medizin verabreicht?
Die Griechen können das in dieser Dosis nicht schaffen. Sie müssen in diesem Jahr, acht Prozent ihres Bruttosozialprodukts einsparen. Wenn man das auf Deutschland übertragen würde, wären das 150 Milliarden Euro. Dann hätten wir hier überall Proteste vom Kaliber Stuttgart 21.

Stellen wir uns einen Moment vor, Sie wären griechischer Finanzminister. Was würden Sie tun?
Ich bin es nicht. Ich bilde mir auch nicht ein, dort Rat geben zu können. Aber ich stelle mir vor, dass die Strategie, die in Deutschland erfolgreich war, auch in anderen Ländern Erfolg haben kann. Sie hieß: Konsolidieren, Reformieren und Investieren. Sparen ist dabei ein notwendiges Medikament. Aber die Dosis muss so bemessen sein, dass sie nicht tödlich ist, sondern heilt. Angela Merkels Fixierung führt diese Länder in die Depression.

Aber wenn nicht einmal mehr die Kanzlerin auf Disziplin pocht, gibt es für die Schuldenmacher in Europa gar kein Halten mehr.
Das will ich nicht in Abrede stellen. Aber manchmal reicht eine Arznei alleine nicht, dann braucht es mehrere. Merkel hat allen nur Sparen verordnet. Das war ökonomisch falsch und hat Deutschland in Europa isoliert. Sie hätte nur die Philosophie, die sie mit uns in der großen Koalition entwickelt hatte, auf Europa übertragen müssen – nämlich den Dreiklang aus Konsolidieren, Reformieren und Investieren. Jetzt endlich scheint sie das zu begreifen, weil sie uns im Bundestag braucht und weil sich die politische Landschaft in Europa geändert hat.

Ist das jetzt avisierte Wachstumspaket nicht viel zu klein, um einen Aufschwung auszulösen?
Es geht um 80 Milliarden Euro aus den Strukturfonds, die in Brüssel vorhanden sind, verstärkte Aktivitäten der Europäischen Investitionsbank, die Aufstockung von Projektanleihen auf eine Milliarde Euro und das Aufkommen der Finanzmarkttransaktionssteuer. Damit lässt sich einiges in Gang setzen.

Die neue Regierung in Athen bittet um zwei Jahre mehr Zeit. Ist das sinnvoll?
Wenn es nur darauf hinausläuft, dass die Griechen nach zwei weiteren Jahren sagen, wir kriegen das wieder nicht hin, macht es keinen Sinn. Sie müssen ihre Administration, vor allem ihre Steuerverwaltung, auf Vordermann bringen, die Qualität ihrer Governance verbessern und die Auflagen umsetzen. Dann kann man über einen Aufschub reden.

Viele in Deutschland fordern einen Rauswurf Griechenlands aus dem Euro – getreu dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Es macht keinen Sinn, den Patienten zu erdrosseln, der viele und vieles mit in den Abgrund reißen kann.