Der deutsche Wald muss umgebaut werden. Den Klimawandel überleben Kiefer und Fichte nicht. Überlässt man sie Borkenkäfern oder macht man Bauholz und Pellets daraus?
Es beginnt im Wald. Georg Dischner hebt die Rinde der gefällten Fichte ab, dreht sie um und zeigt auf ihrer Innenseite auf ein labyrinthartiges Muster kleiner Kanäle. „Das war der Borkenkäfer“, sagt der Betriebsleiter des bayerischen Staatsforsts Kaisheim nördlich von Augsburg. Befallenes Schadholz wie dieses müsse schnell raus aus dem Wald, weil aus einer Fichte wie dieser Zehntausende neue Borkenkäfer ausfliegen und 20 weitere Bäume befallen können. „Vom Käferbefall bis zum Ausflug vergehen sechs Wochen“, so der Förster. Aber eigentlich haben Kiefer und Fichte, die etwa 70 Prozent des deutschen Waldbestandes ausmachen, sowieso keine Chance, meint der Mann in Trachtenjacke, der neben Dischner in der sonnenbeschienenen Lichtung steht.
„Fichte und Kiefer überleben den Klimawandel nicht“
Das ist Hubert Röder, Professor für nachhaltige Betriebswirtschaft an der Hochschule Weihenstephan Triesdorf und als solcher kein Apokalyptiker. „Fichte und Kiefer überleben den Klimawandel nicht“, fürchtet er aber. Das gelte vor allem für Bestände in Monokultur. „Mischwald ist sicher im Klimawandel“, sagt der Nachhaltigkeitsprofessor. Deshalb müsse man den deutschen Wald in den nächsten drei Jahrzehnten umbauen und ihn mit neuen, klimaresistenten Baumarten vom Balkan oder aus Südfrankreich anreichern.
Um Dischner und Röder stehen noch etwa 20 weitere Personen herum. Zum Ortstermin im Wald geladen hat das Deutsche Pelletinstitut (Depi). Denn nicht nur der Wald hat ein Problem. Der Entwurf der Ampelregierung für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) lässt auch die Pelletindustrie um ihre Zukunft fürchten. Holzheizungen würden dadurch stark verteuert.
Um etwa 15 000 Euro würden die im GEG-Entwurf verankerten Auflagen Holzfeuerung verteuern, hat das Institut ausgerechnet. Bei Preisen für Pelletheizungen von im Schnitt 30 000 Euro wäre das ein massiver Aufschlag. In Neubauten soll es ab 2024 sogar grundsätzlich keine solchen Heizungen mehr geben. Die GEG-Macher halten es für keine gute Idee, Holz zu verheizen, weil dadurch das darin gespeicherte Klimagas Kohlendioxid frei wird. Etwa ein Fünftel allen durch die Luft schwirrenden Feinstaubs stammt aus Holzverbrennung und damit fast soviel wie aus dem Straßenverkehr, warnt das Umweltbundesamt. Hier widerspricht eine Studie von Röder. „Es wäre eine Dummheit, die Fichte absterben und verrotten zu lassen“, sagt Röder. Dann werde CO2 auch frei, nur später als beim Verbrennen. Waldumbau inklusive Verwendung von Restholz zum Heizen habe dagegen einen dreifachen und klimapositiven Effekt. Erstens könnten Pelletheizungen klimaschädliche Ölheizungen ersetzen. Zweitens liefere aktive Bewirtschaftung von Wäldern neben Pellets vor allem Holz für klimagerechtes Bauen. Drittens werde Wald bei aktivem Umbau klimaresistent und könne damit dauerhaft mehr CO2 speichern.
Resteverwertung ist wichtig
Wie es in der holzindustriellen Praxis aussieht, erklärt Leonhard Scherer. Er ist Chef der Pfeifer-Gruppe aus dem bayerischen Unterbernbach, dem EU-weit drittgrößten Holzvermarkter und Pellethersteller. Im Schnitt 62 Prozent eines Baumstamms könne zu Bauholz in Form von Brettern jeder Art verarbeitet werden, sagt der Bayer. 38 Prozent seien Restholz.
„Extra für Pellets Bäume zu fällen, wäre in Deutschland wirtschaftlich nicht darstellbar“, sagt Scherer zu bisweilen geäußerter Kritik. An Bauholz sei viel mehr verdient. Aber Resteverwertung benötige seine Branche eben auch.
Pelletheizung
Wald
Entgegen aller Hiobsbotschaften wächst der deutsche Wald im Bestand und hat seine höchste Dichte als Holzvorrat seit mindestens 600 Jahren erreicht, sagt der bayerische Waldbesitzerverband. Seit Jahren werden demnach nur vier Fünftel eines jährlichen Zuwachses genutzt, das heißt abgeholzt. Stürme und Austrocknung durch Klimawandel sowie dadurch begünstigter Borkenkäferbefall dürften aber bald einen Kipppunkt erzwingen.
Pellets
In Deutschland wurden 2022 fast 3,6 Millionen Tonnen Pellets hergestellt. Das ist mehr als der heimischen Verbrauch. An Pelletheizungen wurden parallel 123 000 auf nun insgesamt 680 000 Anlagen zugebaut. Die verursachen laut Deutschem Pelletinstitut 1,4 Prozent aller Feinstaubemissionen. Auf 20 Prozent Anteil kommt Holz als Brennstoff wegen alten Holzöfen und offener Kamine, in denen Besitzer auch Dinge wie extrem feinstaubemittierende Rinde verbrennen.