Der Club junges Europa Backnang organisiert im alten Schulhaus die erste „Pen-&-Paper-Convention“. Vor allem Männer folgen der Einladung in die geheimen Welten.

Rems-Murr: Simone Käser (sk)

Achim Bechtold ist in seinem Element: „Jawohl, nach zwei Stunden habt ihr es endlich aufs Schiff geschafft“, sagt der Spielleiter, stellt ein solches auf den Tisch und fährt im gleichen Atemzug fort, seiner Gruppe mit zahlreichen Gesten die Handlung zu erklären. Teils verstellt er auch die Stimme. Und es wirkt. Am Tisch lauschen alle gespannt und erfahren, dass sie herzlich eingeladen sind, an Bord zu kommen. Aber nur, wenn sie vorher ihre Waffen abgeben. Wohin es geht und ob man den übrigen Gesellen auf dem Schiff vertrauen kann, wird nicht verraten. „Wir lichten den Anker und sind weiter auf Schatzsuche, alles andere wird sich zeigen“, sagt Achim Bechtold.

 

Der Club junges Europa Backnang lädt zum ersten Mal zu der Aktion ein

Was wie ein Theaterstück klingt, ist ein Spiel – aber eines, das als Mischung aus herkömmlichem Gesellschaftsspiel, Erzählung und eben auch Improvisationstheater beschrieben werden könnte. „Pen-&-Paper-Convention“ lautet der Name der Aktion, die am Samstag in den Räumen des alten Schulhauses in Backnang stattfand.

Zum ersten Mal hatte der Verein Club junges Europa zu dem Spiel mit Stift und Papier geladen, bei dem die Spieler um einen Tisch sitzen, fiktive Rollen zugeteilt kriegen und anhand deren Eigenschaften Abenteuer erleben. Ein schneller Blick in den Raum macht eines gleich klar: Die fantastischen und geheimen Welten, die an die Mittelerde aus Herr der Ringe erinnern, oder die Horrorgeschichten aus den 1920er Jahren, die am hintersten der vier Tische lebendig werden, locken bei der Premiere meist Männer aus dem Haus. Vereinzelt sind auch Frauen anzutreffen, sie sind aber in der Unterzahl.

Die Schurkin ist knallhart und nimmt es gegen die Männer auf

Dafür gibt es am Tisch von Spielleiter Achim Bechtold eine Frau, die gleich mal gegen Rollenstereotypen angeht. Sie verkörpert eine Schurkin, die es faustdick hinter den Ohren hat. „Wir müssen ja einen Schatz finden, das haben wir durch einen geheimen Brief erfahren. Ich als gebildeter Priester habe Interesse daran, zu erfahren, von wem der Brief ist. Das ist bei der Schurkin ganz anderes, und auch der Magier braucht Kohle für seine Zaubertränke“, erklärt Dirk Jerusalem vom Club junges Europa Backnang. Er ist richtig drin in seiner Rolle, schließlich waren derartige Spiele vor vielen Jahren mal ein großes Hobby von ihm.

Anfangs wirken die Spiele, die meist zu viert oder fünft am Tisch stattfinden, erst mal kompliziert. Vor jedem Spieler liegt ein Bogen mit Charaktereigenschaften, es gibt Würfel mit vielen Flächen. Sie wirken allein schon durch ihre Farben und Ecken magisch und machen auch den Wurf einer 20 möglich. Was in dem Fall passiert, ob der Magier mit der hohen Punktzahl seine edle Spielfigur nehmen und dem Skelett eins überbraten darf, das erfahren die Teilnehmer vom Leiter, der seine Unterlagen mit einem Aufsteller vor neugierigen Blicken schützt.

Spielleiter Achim Bechtold hat die magische Welt unter dem Namen „Fresh Plot on the old Tide“ selbst geschrieben. Und auch Marcel Langner vom Tisch der 1920er Jahre hat gleich mal den Einstieg selbst erfunden. Seinen Mitspielern erläutert er, dass sie alle zu einem Umzug als Helfer gerufen werden. So hat er sie alle beieinander und sie können im Stil der Geschichten von Howard Phillips Lovecraft, der als einer der bedeutendsten Autoren fantastischer Horrorliteratur gilt, in ihre Abenteuer stolpern. „Die Protagonisten werden in diesen Erzählungen gern mal wahnsinnig. Dann landen sie in der Irrenanstalt oder sterben“, sagt Marcel Langner. Nur gut, dass die Abenteuer mit Stift und Papier – und nicht in echt erlebt werden müssen. Und das quasi open end: „Die Veranstaltung ist angesetzt bis 20 Uhr, aber alle sind voll dabei. Das heißt, wir spielen bis wir fertig sind“, sagt Dirk Jerusalem und holt sein Vesper raus.