In Leinfelden und Echterdingen steht der Verkehr zur Stoßzeit. Beim Unternehmerdialog ging es um Ideen, die Straßen wieder leerer zu bekommen. Die ortsansässigen Betriebe könnten einen Beitrag zur Verkehrsentzerrung leisten.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Leinfelden-Echterdingen - Ob Leinfelden oder Echterdingen, in beiden Ortschaften stehen die Autos zur Hauptverkehrszeit oft Stoßstange an Stoßstange. Erst recht, wenn die Autobahn oder die Bundesstraße 27 verstopft sind, und das ist eher Regel als Ausnahme. 36 000 Menschen pendeln laut Statistik werktäglich durch L.-E., 24 000 davon, weil sie in der Großen Kreisstadt arbeiten, aber woanders wohnen, beim Rest ist es umgekehrt. So oder so, es sind zu viele. Und es dürften mehr werden, wenn sich nichts ändert.

 

Doch es soll sich etwas ändern. „Wir sind an den Grenzen unserer Kapazität“, sagte Eva Noller, Erste Bürgermeisterin von Leinfelden-Echterdingen beim achten Unternehmerdialog vergangene Woche in der Zehntscheuer. Und deshalb arbeitet die Große Kreisstadt an Strategien gegen den Verkehrskollaps.

Dazu gehört das betriebliche Verkehrsmanagement. Was unter diesem sperrigen Begriff zu verstehen ist, war Thema beim Unternehmerdialog, bei dem sich Stadtverwaltung, Politik und Wirtschaft begegnen, bei dem Ideen gesponnen und Impulse gesetzt werden sollen. An jenem Abend haben die Gäste erfahren, welchen Beitrag die Unternehmen zum Umweltschutz und zur Verkehrsentzerrung beitragen können. Betriebliches Verkehrsmanagement eben.

Der Minister steckte nicht im Stau

Und wer könnte dazu besser referieren, als der baden-württembergische Verkehrsminister persönlich? Aber daraus wurde nichts. Joachim Kroll, beim Land seit 2015 für das Thema verantwortlich, vertrat spontan Winfried Hermann; der steckte aber nicht etwa im Stau, was gut möglich gewesen wäre, er war erkrankt und musste sich entschuldigen.

In Baden-Württemberg pendeln jeden Tag 5,4 Millionen Menschen mit dem Auto zur Arbeit. Zwei Drittel der Wege seien kürzer als 15 Kilometer. Kroll hatte einige Zahlen dabei, die unter dem Strich alle dasselbe sagen: Zeit, dass sich was dreht.

Leichter gesagt als getan. „Es geht ums Mobilitätsverhalten“, sagte Kroll. „Das ist ein langwieriges Unterfangen.“ Menschen müssen Gewohnheiten ablegen – und neue annehmen. Telearbeit, Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, „damit nicht jeder um 7 oder 8 Uhr anfängt“, das nannte Kroll als Beispiele dafür, wie sich der Berufsverkehr entzerren ließe. Aber auch Fahrgemeinschaften, Job-Tickets oder Umsatteln aufs Rad seien Möglichkeiten. Um andere mitzuziehen, versuche der Arbeitgeber Land voranzugehen. So verteile die Landesverwaltung zum Beispiel Job-Tickets an ihre Mitarbeiter. „Das hat einen Innovationsschub ausgelöst“, sagte Kroll. Er berichtete aber auch von weiteren Unternehmen, die sich Ausgefallenes einfallen ließen. Zum Beispiel: Wer 80-mal mit dem Rad zur Arbeit fährt, bekommt ein E-Rad geschenkt. So gut das klingt, so sind es doch bisher Ausnahmen.

SAP geht als Vorbild voran

Zu den Ausnahmen gehört SAP in Walldorf. Der Software-Entwickler hat einen Projektleiter für Nachhaltigkeit: Marcus Wagner. Dieser erklärte beim Unternehmerdialog kurz und knackig, wie SAP das betriebliche Verkehrsmanagement in Angriff genommen hat. Das Oberziel: Bis zum Jahr 2020 will SAP seine Co2-Emissionen wieder aufs Niveau vom Jahr 2000 drosseln. Um das zu erreichen, verteilt das Unternehmen zum Beispiel Job-Tickets, Leasing-Fahrräder, E-Dienstwagen sowie eine App, mit der sich die Mitarbeiter unkompliziert zu Fahrgemeinschaften organisieren können.

Der Bürgermeisterin Noller war anzumerken, worauf sie hofft: auf die Sogwirkung solcher Positivgeschichten. Die Stadt arbeitet seit zwei Jahren an einem Verkehrskonzept, dass den Kollaps verhindern soll. Ein Kollaps, über dessen Ursachen sich die Verwaltung eigentlich freut: L.-E. ist beliebt bei Unternehmen; neue Firmen drängen in die Stadt. Sie liegt verkehrsgünstig. Ein Verkehrskonzept für eine „polyzentrale Stadt“, wie Noller sagte, sei herausfordernd. In L.-E. soll es elf sogenannte Mobilitätspunkte geben: mit Haltestellen für Bus und Bahn, Radabstellplätzen, Carsharing-Angeboten und Parkplätzen fürs Auto.