Per Pedal und per Fuß zur Poesie Die Landschaft in literarischen Bildern

Marianne Ruckdeschel geht oft an der Teufelsbrücke in ihrem Wohnort in Hardt spazieren. Foto: Ines Rudel

Literatur und Natur haben für Marianne Ruckdeschel einen engen Bezug. Deshalb hat sie viele der Vorschläge der Broschüre „Per Pedal zur Poesie“ selbst erwandert.

Kreis Esslingen - Ihre Liebe zur Literatur will die Bibliothekarin Marianne Ruckdeschel den Besuchern der Öffentlichen Katholischen Bücherei in Neuhausen gerne weitergeben. „Auch bei Streifzügen durch die Natur lassen sich literarische Spuren entdecken.“ Deshalb freut sich die leidenschaftliche Kennerin darüber, dass die Rad- und Wandertouren des Literaturlands Baden-Württemberg Spuren der Poesie erschließen, „die man vielleicht nicht auf den ersten Blick entdeckt.“

 

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Das beginnt bei der Hardterin schon vor der eigenen Haustür. Sie lebt in der Pfeiferstraße in dem Nürtinger Stadtteil, wenige Schritte vom Pfeiferbrunnen entfernt. Die Sagengestalt soll den Herzog Ulrich von Württemberg versteckt haben. Wenn Ruckdeschel sich von einem anstrengenden Tag in der Bibliothek im Oberen Schloss von Neuhausen erholt, geht sie einige Schritte zur Teufelsbrücke. Das imposante Bauwerk aus dem 18. Jahrhundert schloss einst nicht nur eine wichtige Verkehrsachse zwischen dem Neckartal und den Fildern: „Da wanderte Friedrich Hölderlin vorbei, als er in Nürtingen lebte.“ Die bewaldete Landschaft mit den herrlichen Ausblicken habe den Dichter zu seiner Poesie inspiriert.

„Lebendige Literaturerlebnisse“

In der Bücherei Neuhausen tut Ruckdeschel viel, um den Besucherinnen und Besuchern „lebendige Literaturerlebnisse“ zu bieten. Schon jetzt freut sie sich auf die Zeit, wenn nach der Coronapandemie auch wieder die beliebten literarisch-musikalischen Abende in dem historischen Gemäuer möglich sind. Da der Platz in dem schön restaurierten Gebäude aus dem 16. Jahrhundert begrenzt ist, lässt sich da zurzeit nur schwer Abstand halten.

Unter dem Titel „Per Pedal zur Poesie“ hat das Literaturarchiv in Marbach griffige Broschüren für Regionen in ganz Baden-Württemberg herausgegeben. Nürtingen, Denkendorf und Köngen sind im Titel mit der Nummer acht erfasst. Wer den Rundweg ganz radeln möchte, der auch über Grötzingen und Wolfschlugen führt, braucht etwas Kondition. Denn die Tour, die in Nürtingen beginnt und dort auch wieder endet, ist 40 Kilometer lang.

Literarische Spaziergänge in Etappen

„Die Vorschläge eignen sich aber auch für Spaziergänge, die man in Etappen machen kann“, findet die Bibliothekarin. Zwar begibt sie sich gerne auf Friedrich Hölderlins Spuren, jedoch:. „Es gibt aber noch so viel mehr zu entdecken.“ Auf der Oberensinger Höhe wandert die Literaturkennerin gerne zur Sammlung Domnick. Wenige Gehminuten hinter dem Museum moderner Kunst gibt es eine Panorama-Sitzbank. Da hat man einen herrlichen Blick auf die Schwäbische Alb, die der Dichter Eduard Mörike in seinem „Stuttgarter Hutzelmännlein“ als „wundersame blaue Mauer“ beschrieben hat. Das Bild passt nach Ansicht von Marianne Ruckdeschel perfekt. Ihre Spaziergänge inspirieren die Bibliothekarin immer wieder, zu solchen „länger vergessenen“ Texten zu greifen. Wenige Kilometer entfernt kommen die Radler in Köngen an. Da hat der junge Mörike im Vikariat im Pfarrhaus bei der Peter- und Paulskirche gelebt. Sein Wirken in dem damals stark pietistisch geprägten Dorf hat ihn auch zu einigen seiner Texte inspiriert.

Besonders interessant findet es Marianne Ruckdeschel, dass auch ein zeitgenössischer Schriftsteller wie Johannes R. Becher einen Bezug zu Nürtingen hatte. 1947 bezeichnete der spätere SED-Politiker und Kulturminister der DDR in seinem „Lob des Schwabenlandes“ die Stadt am Neckar sogar als seine Wahlheimat. Auch auf Peter Härtlings Spuren lässt sich bei der Rad- oder Wandertour bestens wandeln. Nach seiner Flucht hat Härtling von 1946 bis 1953 in Nürtingen gelebt. Die Erfahrungen seiner Ankunft nach der Flucht hat er 1990 im Roman „Herzwand“ verarbeitet.

Literaturland Baden-Württemberg

Literarische Vielfalt
 Nicht nur Friedrich Hölderlin, Eduard Mörike und Peter Härtling haben die literarische Landschaft im Landkreis Esslingen geprägt. Die Broschüre „Per Pedal zur Poesie“ nimmt auch weniger bekannte Dichter wie Nicolas Born oder Johannes R. Becher in den Blick, die ihre Eindrücke aus dem Landkreis literarisch verarbeitet haben.

Schauplätze der Geschichte
 Die literarischen Radwege sollen – zumeist orientiert an bereits erschlossenen Routen – die Landkarte Baden-Württembergs auf neue Weise erfahrbar machen. Entworfen als Tagestouren, jedoch ebenso integrierbar in längere Wanderungen, führen sie entlang der unzähligen Literaturmuseen und –gedenkstätten des Landes, berühren aber auch Handlungsorte von literarischen Texten und wichtige Schauplätze der südwestdeutschen Literaturgeschichte. Dafür wurden die Macher im Rahmen von „Deutschland. Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Information
 Die Broschüren sind im Online-Shop des Deutschen Literaturarchivs in Marbach zu haben: www.dla-marbach.de

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