Die Gehwegplatten in der Innenstadt halten dem Lieferverkehr nicht stand. Permante Reparaturen sind die Folge – zum Beispiel rund um den Hans-im-Glück-Brunnen.

S-Mitte - Wenn die fünf Herrschaften vom Tiefbauamt am Hans-im-Glück-Brunnen mit ihrer Spitzhacke anrücken, bekommt Juan Blanco del Rio, einen dicken Hals. Kragenweite 44. Mit jeder Gehwegplatte, die von den Arbeitern per Hacke ausgehebelt wird, wird sein Ärger größer. „Das ist eine absolute Frechheit“, ereifert sich der Wirt des Lokals Deli, „das ist eine Vergewaltigung des schönsten Platzes in Stuttgart.“ Und erst mal in Fahrt legt er nach: „Für Stuttgart 21 haben sie Milliarden, aber für diesen Platz nicht einmal ein paar tausend Euro.“

 

Inzwischen haben diese Spitzhackeneinsätze ein unschönes Bild hinterlassen. Überall dort, wo die Platten entfernt werden, wird das Loch mit mit schwarzem Asphalt gestopft. So ist ein Flickenteppich aus Platten, Kopfsteinpflaster und Asphalt entstanden. Notwendig werden die Ausbesserungen immer dann, wenn eine Gehwegplatte gesprungen ist oder sich angehoben hat. Dann entstehen Kanten, über die Passanten stolpern könnten.

Die Ursache dieser Schäden sind bekannt. „Es ist der Schwerlastverkehr der Lieferanten“, weiß Juan Blanco del Rio, „wenn Vierzigtonner über die Platten rollen, halten sie das nicht aus.“ Straßenbauingenieure wissen das: Die extreme Wirkung, die solche Lkw-Kräfte entfalten, sind 10 000 Mal so stark wie die eines Personenwagens. Damit ist der Verschleiß der Wege und Straßen enorm.

Ein Fass ohne Boden

Und dieses Phänomen tritt nicht nur am idyllisch gelegenen Hans-im-Glück-Brunnen auf, der laut Deli-Wirt mit Schranken abgesperrt werden sollte. Mit dieser Problematik kämpft das Tiefbauamt in der ganzen City – mit erheblichem personellen und finanziellen Aufwand. „Mit unseren finanziellen Möglichkeiten wird es langsam eng“, sagt Jürgen Mutz vom städtischen Tiefbauamt, schweigt sich aber über die gesamten Kosten dieser Maßnahmen in der Innenstadt aus. Denn er hat mehr dieser Baustellen, als ihm lieb ist. Man könnte auch sagen: Das Tiefbauamt versucht verzweifelt, ein Fass ohne Boden zu füllen. Sei es in der Tübinger Straße, der Königstraße, der Querspange oder der Kronprinzstraße. Überall dort, wo (Liefer-)Verkehr über die Platten fährt, sind Schäden programmiert. „Wir haben daher an der Querspange, wo Busverkehr ist, mit stärkerem Material zu arbeiten“, sagt Mutz. Der Erfolg ist bescheiden, obwohl die Stärke der Platten dort im Gegensatz zu denen in der Tübinger Straße statt 12 satte 18 Zentimeter misst. „Die Platten werden dem Auto-, Bus- und Lieferverkehr nie Stand halten“, sagt ein Mitarbeiter des Tiefbauamtes, der anonym bleiben will. Der Mann sagt auch: „An solchen Zonen sollte man besser gleich asphaltieren. Sonst werden diese Kosten ins Uferlose steigen.“

Im Prinzip hat Jürgen Mutz diese Rechnung bereits indirekt in einer Gemeinderatsvorlage zur Straßenunterhaltung bestätigt. „Doch in diesem Fall gibt es eben widerstrebende Interessen“, sagt er und meint: Schönheit geht vor Praktikabilität. Die Platten seien im Stadtbild zwar schöner, aber eben auch anfälliger. „Über Alternativen müssen jedoch andere entscheiden“, sagt Mutz und meint den Gemeinderat. Die einfachste Lösung wäre, den Liefer- und Busverkehr ganz aus der City zu verbannen. Da dies derzeit unrealistisch ist, schlagen Straßenbau-Experten vor, an sensiblen Stellen und Fahrspuren auf Platten zu verzichten.

Asphalt in Plattenfarbe

„Stattdessen könnte man Asphalt einsetzen“, sagt ein Tiefbauer, „das wäre die billigste und beste Lösung.“ Eine Tonne Asphalt koste, so der Experte, ab Werk zwischen 120 und 150 Euro. Nach seiner Meinung lasse sich dieses Material durch Beimischungen von Farben so verlegen, dass es sich ins Stadtbild ein- und anpasst. Jürgen Mutz bestätigt das und liefert Beispiele, wo diese Art der Asphaltierung bereits gelungen ist: in der Tübinger Straße in Höhe der Marienkirche oder im Hospitalviertel. Mit den Lösungen könnte wohl auch Juan Blanco del Rio leben: „Alles scheint besser als dieser hässliche Flickenteppich.“