Kühl, elegant, schnörkellos: Die Designerinnen Johanna Perret und Tutia Schaad bereiten sich auf die Berliner Fashion Week vor. Die Mischung aus Off-Farbtönen und unbeschwerten Aquarellfarben kennzeichnet den Stil des Labels.

Berlin - Die weiße Hortensienblüte, die im Wasserglas auf dem Schreibtisch steht, ist aus dem Innenhof des Berliner Mietshauses stibitzt. Sonst aber liegen und hängen hier in der ganzen Beletage lauter ureigene Ideen: es ist Fashion-Week-Endspurt, und im Atelier von Perret Schaad nimmt die aktuelle Kollektion in diesen Tagen ihre endgültige Gestalt an.

 

An einer rollbaren Kleiderstange sammeln sich die Entwürfe als steifarmige Nesselstoffjacken, Kleider und Hosen, die später in Seide und Tuch entstehen, im Nebenzimmer rattert eine Nähmaschine. Sieht aus, als könnte das eine sehr heitere Kollektion werden, dafür sprechen die kleinen Stoffproben an der Wand, die so sommerlich-flatterig da herumhängen, dass man sich an eine Reihe kleiner Fahnen an einer Schnur erinnert fühlt, wie sie an der Riviera zwischen Häuserfassaden hin und hergespannt werden. Klatschmohnrot, Ginstergelb und Azurblau, dazwischen ein feenhafter Hautton, und natürlich vielfarbiges Grau werden am Donnerstag im weißen Zelt der Fashion Week auf dem Laufsteg zu sehen sein, wenn Perret Schaad ihre neuesten Arbeiten zeigen.

Die Details sind raffiniert und weiblich

Hinter dem Namen des Labels stecken zwei junge Frauen – und die eingängigste Beschreibung, die die Modeszene für Johanna Perret und Tutia Schaad gefunden hat, könnte schlimmer sein: „Die Töchter von Jil Sander“ werden die beiden immer mal wieder genannt. Wer Perret Schaads Entwürfe sieht, der versteht diesen Vergleich – kühl, elegant, sophisticated ist die Mode der beiden Frauen, die Schnittführung schnörkellos, dabei in den Details raffiniert und weiblich. Die Mischung aus fließenden und stärkeren Stoffen, aus Off-Farbtönen und unbeschwerten Aquarellfarben kennzeichnet den Stil von Johanna Perret und Tutia Schaad.

Die beiden gehören zu den erfolgreichen deutschen Newcomer-Designern: schon ein Jahr nach ihrem Abschluss an der Kunsthochschule Weißensee zeigten sie 2010 ihre erste Kollektion bei der Fashion-Week in Berlin. Gerade sitzen sie an ihrer achten.

Wie wird man das eigentlich, so ein Duo, das sich blind versteht, ein Team, das viele Stunden am Tag miteinander verbringt und es schafft, seine Ideen miteinander verschmelzen zu lassen? Johanna und Tutia haben sich an der Hochschule kennengelernt. Die Verständigung zwischen beiden lief von Anfang an auf Französisch – vielleicht auch eine Verbindung, die die beiden Neu-Berlinerinnen einander näher brachte. Johanna Perret wuchs in München und Frankreich auf, Tutia Schaad lebte in ihren ersten Lebensjahren im vietnamesischen Hanoi und dann in der französischen Schweiz.

Aus einem Projekt ist ein Unternehmen geworden

„Freunde waren wir erst mal nicht“, sagt Tutia. Aber sie merkten schnell, dass sie verstanden, was die jeweils andere mit ihren Entwürfen wollte. Und sie verstanden sich gut – so gut, dass sie beschlossen, ein gemeinsames Projekt zu wagen und inzwischen seit Jahren jeden Tag miteinander arbeiten. Und mit „miteinander“ ist nicht gemeint, dass die eine die Bluse entwirft und die andere den Rock. „Wir sind sehr häufig gemeinsam an einem Teil dran“, sagt Johanna Perret.

„Die eine fängt an, die andere macht weiter, mal bleibt man an einer Stelle stecken und fängt an zu diskutieren“, sagt sie. „Dabei sind wir überhaupt nicht immer einer Meinung“, sagt Tutia. „Aber wir können alles aussprechen“, meint Johanna, „und es ist gut zu wissen, dass man in der anderen jemanden hat, der einen bei manchen Ideen auch mal wieder auf die Erde holt. So kann man höher greifen.“

Inzwischen haben die beiden Routine. „Was sich auf jeden Fall verändert hat in dieser Zeit ist Berlin“, sagt Johanna. „Hier ziehen immer mehr Menschen her, die richtig arbeiten wollen und nicht nur Kaffee trinken. Das macht das Geschäft gut und kreativ.“ Aber nicht alles ist leichter geworden. „Wir hatten viel Unterstützung am Anfang“, sagt Johanna Perret. „Und vor allem mussten wir ja nichts machen als die Kollektion.“ Heute ist das anders: aus dem Projekt ist ein Unternehmen geworden – mit Produktion, Messebesuchen, Warenbeschaffung, Bemusterung, Organisation und Marketing. Und dann ist da noch die wachsende Erwartung: Wie wird die nächste Kollektion? Die beiden sitzen in ihrem Atelier und lachen auf einmal ein bisschen über den Ernst der Worte. Und Johanna sagt: „Eigentlich ist alles gut. Wir machen einfach genau das, was wir immer wollten.“