Wegen angeblicher Diebstähle wurde eine Beschäftigte der Gemeinde Weissach fristlos entlassen – nach 20 Jahren im Dienst. Bei dem Fall geht es um mehr als die reine Schuldfrage.

Weissach - Je kleiner der Ort, desto schneller sprechen sich Dinge herum – zumindest auf das rund 7500 Einwohner große Weissach trifft diese These häufig zu. In der Porsche-Gemeinde funktionieren die Buschtrommeln seit Jahren zuverlässig, spätestens seit dem Verlust der Greensill-Millionen haben sich aufmerksame Augen auch auf die Vorgänge im Rathaus gerichtet. So dauerte es nicht lang, bis rund um den Jahreswechsel eine Nachricht in Sachen Gemeindepersonal durch die Weissacher Straßen und Gassen waberte.

 

Fristlose Kündigung nach 20 Jahren

Man munkelte: Der Amtsbotin, bereits seit rund 20 Jahren Angestellte der Gemeinde, sei Anfang des Monats gekündigt worden – fristlos, wegen Diebstahls. Anzeige soll erstattet worden sein, das Dienstzimmer der ehemaligen Amtsbotin wurde durchsucht. Auch eine erfolglose Hausdurchsuchung fand statt. „Mehrere und häufiger werdende Diebstähle“ habe man in den vorherigen Monaten feststellen müssen, heißt es in einer internen E-Mail an die Mitarbeiter der Gemeinde, die unserer Zeitung vorliegt. Was mit Kleinigkeiten begonnen habe, hätte sich am Ende in Größenordnungen von mehreren hundert Euro entwickelt. „Für ein solches Verhalten ist in unserem Rathaus kein Platz“, heißt es in der E-Mail.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Ehemaliger Ratsstuben-Koch verurteilt

Auf Nachfrage zu den Details des Sachverhalts hält sich die Gemeinde zurück: „Die Gemeinde Weissach gibt zu personalrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich keine Stellungnahmen ab“, sagt Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU) auf Nachfrage unserer Zeitung. „Allein aus Schutz von Arbeitnehmer ebenso wie Arbeitgeber verbietet es sich, öffentlich – noch dazu in der Presseberichterstattung – Details zu anhängigen Verfahren zu veröffentlichen“.

Die fristlose Entlassung der Amtsbotin im Dezember bestätigt er aber. „Die hierfür strengen Voraussetzungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, den die Gemeinde Weissach als öffentlicher Arbeitgeber zu beachten hat, waren erfüllt.“

Amtsbotin klagt gegen Kündigung

Leise verabschieden möchte sich die Amtsbotin aber anscheinend nicht: Sie klagt gegen die fristlose Kündigung. Zur daraufhin anberaumten Güteverhandlung vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht – ein Routinetermin, bei dem beide Parteien die Chance haben, sich zu einigen, bevor der Fall vor die Kammer zieht – erscheint die Betroffene nicht selbst, nur ihr Anwalt; ein klares Signal. Vor Ort sind auch ein Mitglied des Gemeinderats und die ehemalige Bürgermeisterin Weissachs, Ursula Kreutel.

Auch Bürgermeister Töpfer erscheint. Auf der Instagramseite der Gemeinde veröffentlicht der Bürgermeister am gleichen Tag ein Foto von der Pforte des Arbeitsgerichts, Bildunterschrift: „Hin und wieder gehören auch Gerichtsverhandlungen zum Verwaltungsalltag dazu.“

Gemeinde hält Beweislage für ausreichend

Geklärt ist die Schuldfrage noch nicht. Vor dem Arbeitsgericht findet die Behandlung dieser nur auf Bezug der Richtigkeit der Kündigung statt. Dass die Ermittlungen weiterhin laufen, bestätigt auch ein Sprecher der Polizei. Immerhin bekannt werden bei dem Gütetermin einige Details zum Vorfall am Rathaus. Das angebliche Diebesgut waren demnach einige Alkoholika, Süßigkeiten und möglicherweise ein Kugelschreiber. Das bestätigt im Anschluss des Gütetermins auch die Mediensprecherin des Amtsgerichts. Zudem wird der Amtsbotin vorgeworfen, Briefe, die nicht an sie adressiert waren, geöffnet und dabei Sachgeschenke entwendet zu haben. Eine leere Sektflasche der gleichen Marke, die für eine andere Mitarbeiterin beiseite gestellt worden war, wurde laut Gemeinde im Dienstzimmer der Amtsbotin gefunden. „Aus Sicht der Gemeinde ein starker Beweis“, so die Sprecherin des Gerichts. Einen Vergleich gab es nicht, die Beteiligten warten nun auf den Kammertermin.

Klagen gegen fristlose Kündigungen gab es bereits

Die ehemalige Amtsbotin ist unterdes nicht die erste Mitarbeiterin der Gemeinde, die sich vor dem Arbeitsgericht gegen eine fristlose Kündigung wehrt. In mindestens einem weiteren Fall sahen sich ehemalige Mitarbeiter zu unrecht gefeuert. Etwa ein ehemals bei der Gemeinde angestellter Hausmeister, dem nur zwei Monate vor seinem regulären Rentenbeginn im Frühjahr 2018 gekündigt wurde. Nach eigenen Angaben hatte er angesammelte Überstunden in Absprache mit seinem Vorgesetzten abgebummelt, woraufhin ihm von der Gemeinde aber das Nichtantreten zur Arbeit vorgeworfen wurde.

Lesen Sie aus unserem Angebot: 2021 – Ein turbulentes Jahr für Daniel Töpfer

Und auch sonst ist es um die Personalsituation im Weissacher Rathaus nicht ruhig bestellt. So sind etwa die Leitenden Posten der Sachgebiete Tiefbau und Liegenschaften aktuell nicht besetzt, die Leitung des Ortsbauamtes aufgrund längerer Krankheit aktuell nicht verfügbar. Nach wie vor nicht neu besetzt ist, zumindest laut Homepage der Gemeinde, auch der Posten des Amtsboten.