BMW-Chef Norbert Reithofer hört im Mai überraschend auf. BMW-Entwicklungsvorstand Herbert Diess soll die schwächelnde Pkw-Marke VW aufpolieren.

Stuttgart - Wenn der bisherige BMW-Produktionsvorstand Harald Krüger im nächsten Mai neuer Chef des Münchner Autobauers wird, soll der bisherige Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer die Führung des Aufsichtsrats übernehmen. Joachim Milberg macht dafür vorzeitig den Platz an der Spitze des Kontrollgremiums frei. Solch ein nahtloser Wechsel vom Konzern- zum Aufsichtsratschef gilt normalerweise als Verstoß gegen eine gute Unternehmensführung (Corporate Governance). In der Regel wird eine zweijährige Abkühlphase verlangt, damit der bisherige Chef in seiner neuen Funktion den Nachfolger nicht bei einer strategischen Kursänderung bremsen kann.

 

Es gibt jedoch eine Ausnahme von dieser Regel, wenn wesentliche Anteilseigner für diesen Wechsel sind. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Quandt stellte am Dienstag als Vertreter der Familie Quandt/Klatten, die im Aktionärskreis von BMW das Sagen hat, klar, dass genau diese Weichenstellung erwünscht ist. „Mit der heutigen Entscheidung und Empfehlung für den Vorsitz von Vorstand und Aufsichtsrat haben wir einen langfristigen Generationswechsel eingeleitet, der die notwendige Kontinuität und Erfahrung im Unternehmen mit der Gestaltungskraft der jüngeren Generation verbindet“, erklärte Quandt und zeigte sich überzeugt davon, dass diese Kombination maßgeblich für den künftigen Erfolg des Automobilkonzerns sein werde.

Aufsichtsratschef Milberg lobte derweil nach den überraschenden Personalentscheidungen des Kontrollgremiums die Leistungen Reithofers, der aus dem oberbayerischen Penzberg stammt. Reithofer war nach seinem Abschluss als Diplomingenieur zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter des späteren BMW-Chefs Milberg an der TU München, wo er auch promovierte. 1987 kam Reithofer zu BMW, wo er als Technischer Direktor des südafrikanischen Werks und Chef des US-Werks in Spartanburg auch viel Auslandserfahrung sammelte. Im März 2000 wurde Reithofer in den Vorstand berufen, bis September 2006 war er Produktionschef und wurde dann als Nachfolger von Helmut Panke BMW-Chef. Der Wechsel erfolgte damals allerdings nicht ganz geräuschlos, weil Panke klar erkennen ließ, dass er auch mit 60 Jahren noch gerne weitermachen würde und Reithofer sich öffentlich für die Einhaltung der für BMW-Vorstände normalerweise geltenden Altersgrenze starkmachte, was im Kreis der Anteilseigner nicht gut ankam.

Aufsichtsratschef Milberg bilanzierte nun, dass Reithofer als Vorstandsvorsitzender maßgeblich eine strategische Neuausrichtung vorangetrieben habe. Reithofer präsentierte ein Jahr nach seinem Antritt im September 2007 die sogenannte Strategie „Number One“, mit der das Unternehmen seine weltweit führende Position unter den Premiumherstellern sichern wollte. Das Modell- und Dienstleistungsangebot sei ebenso deutlich erweitert worden wie das internationale Produktions- und Vertriebsnetzwerk, resümierte Milberg. Zudem sei der Autobauer in dieser Zeit konsequent in die Elektromobilität eingestiegen, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende mit Hinweis auf das Elektroauto i3 und den Supersportwagen i8 mit Plug-in-Hybridantrieb, der von einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor angetrieben wird und an der Steckdose aufgeladen werden kann.

Reithofer habe das Unternehmen in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender auf ein neues Erfolgsniveau gehoben, dessen Spitzenposition im Premiumsegment weiter ausgebaut und zugleich strategisch auf die Zukunft vorbereitet. Diese Leistungen verdienten die höchste Anerkennung, so Milberg. Im laufenden Jahr ist die viel beachtete operative Rendite von BMW im Autogeschäft bis September von 9,5 auf 10,2 Prozent gestiegen. Damit liegt sie nicht nur über leicht über den eigenen Zielen, sondern auch über der Profitabilität der beiden Wettbewerber Audi und Mercedes-Benz. In den ersten drei Quartalen haben die Bayern weltweit gut 1,5 Millionen Autos der Marken BMW, Rolls-Royce und Mini verkauft. Im Gesamtjahr sollen erstmals rund zwei Millionen Autos verkauft werden. Auch da liegt man klar vor den Erzrivalen.

Von diesem Knowhow und Glanz der Bayern will offenbar auch VW-Konzernchef Martin Winterkorn profitieren, indem er den bisherigen BMW-Entwicklungschef Herbert Diess abgeworben hat. Diess soll im Konzernvorstand die neu geschaffene Position des Chefs der Marke VW übernehmen. Bisher führte Winterkorn in Personalunion den Konzern und die wichtigste Marke der Wolfsburger. Seit einiger Zeit hatte es angesichts enttäuschender Zahlen der Marke VW Kritik gegeben, dass Winterkorn mit beiden Aufgaben überlastet sei. In diesem Zusammenhang hatte es auch Spekulationen gegeben, wonach Porsche-Chef Matthias Müller, der zu den engen Vertrauten Winterkorns zählt, womöglich Markenchef von VW werden und den Konzernlenker entlasten könnte. Der VW-Chef lobte nun den bisherigen BMW-Entwicklungschef in höchsten Tönen. „Mit Herbert Diess haben wir eine herausragende Persönlichkeit und einen der fähigsten Köpfe der Automobilindustrie für uns gewinnen können. Zudem stellen wir mit diesem Schritt sowohl den Konzern als auch die Marke personell auf ein noch breiteres Fundament“, sage Winterkorn.

Die Abwerbeaktion erinnert an eine andere Personalie. Im Februar lotste VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch den früheren Daimler-Nutzfahrzeugchef Andreas Renschler nach Wolfsburg. „Die Besten ködern die Besten“, kommentierte Piech diesen Schachzug. Renschler wird im nächsten Februar VW-Vorstand und soll aus den Marken VW, MAN und Scania einen schlagkräftigen Nutzfahrzeuganbieter schmieden, der Daimler Paroli bieten kann.