Viele Ämter der Landeshauptstadt arbeiten personell „am Anschlag“. Die Bezüge im öffentlichen Dienst gelten gegenüber dem Lohnniveau der Wirtschaft als nicht konkurrenzfähig. Hinzukommen hohe Mieten in der Stadt.

Stuttgart - Der Stadt gehen allmählich die Mitarbeiter aus: Trotz rund 13 000 Beschäftigten (ohne Klinikum) fehlt in vielen Ämtern qualifiziertes Personal. Die Misere betrifft aus Sicht des Gesamtpersonalrats (GPR) nicht nur Kindertagesstätten. „Es gibt fast überall Engpässe“, betont der GPR-Vorsitzende Markus Freitag. So habe etwa der jugend- und kinderärztliches Dienst des Gesundheitsamts erhebliche Personalprobleme, weil „die Bezahlung nicht mit den Kliniken mithalten kann“. Vom Gemeinderat bewilligte Stellen für die medizinische Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern könnten beim Gesundheitsamt nicht besetzt werden, „weil sie sehr kurz befristet und ebenfalls schlecht bezahlt sind“.

 

Erhebliche personelle Defizite herrschen aus Sicht der Personalvertretung auch im Tiefbauamt. Dort fehlten vor allem Facharbeiter und Meister im handwerklichen Bereich sowie Ingenieure für Klärwerke, Tunnelbau, Bautechnik und Bauplanung. Deshalb könnten stets nur die notwendigsten Arbeiten erledigt werden. Turnusmäßige Kontrollen und vorausschauende Instandsetzungen seien nicht mehr möglich. Baustellen und Baufirmen könnten nicht mehr im erforderlichen Rahmen beaufsichtigt werden.

Dramatische Situation in der Ausländerbehörde

Im Ordnungsamt ist die Lage ebenfalls kritisch. Bei der Ausländerbehörde gilt die Situation sogar als „dramatisch“, weil es dort zahlreiche unbesetzte Stellen sowie eine hohe Kranken- und Wechselquote gibt. „Alle Mitarbeiter haben Überlastungsanzeigen abgegeben“, so Freitag. Bei der Straßenverkehrsbehörde des Amts erfolgten Genehmigungen für Veranstaltungen vor allem durch wenige Teilzeitkräfte ohne Prüfung. „Man bittet Vereine, die eine Hocketse planen, es wie im letzten Jahr zu machen“, sagt der GPR-Vorsitzende. Die Verkehrsbehörde suche seit Längerem vier Verkehrsingenieure. Ausschreibungen waren erfolglos, „weil private Büros 1000 Euro mehr im Monat zahlen“.

„Land unter“ signalisiert auch die Gewerbe- und Gaststättenbehörde. Dort kann man wegen fehlender Mitarbeiter Überprüfungen von Lokalen, Maklern, Überwachungsfirmen und anderen Betrieben „nicht einmal ansatzweise durchführen“. Auch im Amt für Umweltschutz arbeiten viele Abteilungen „am Anschlag“. Wegen Mitarbeiterwechseln und Krankheitsfällen müssten die Beschäftigten zusätzliche Pflichten übernehmen.

Als Hauptgrund für die Personalnot gelten die Tarife im öffentlichen Dienst, die „bei der guten Konjunktur“ gegenüber dem Lohnniveau in der Privatwirtschaft kaum konkurrenzfähig seien. „Kollegen, die von privaten Firmen zur Stadt kommen, berichten von erheblichen Gehaltseinbußen“, heißt es. Der einzige Vorteil der Stadt seien familienfreundlichere Arbeitszeiten.

„Für die Rathausspitze sind die Beschäftigten offenbar nur ein Kostenfaktor“, kritisiert Markus Freitag. „Die Stadt muss im kleinen Stellenplan im Herbst nachbessern.“ Wer im Jahr 2015 einen Überschuss von 245 Millionen erwirtschaftet habe, könne sich durchaus mehr und besser bezahltes Personal leisten. „Das Plus bei den Einnahmen ist schließlich in erster Linie das Verdienst der Beschäftigten“, betont der GPR-Vorsitzende. In der vergangenen Dekade habe die Stadt Stuttgart Jahr für Jahr stets mehr Geld eingenommen, als im Haushaltsplan veranschlagt gewesen sei. Freitag sieht die Stadt in der Pflicht, „weil die Ämter viele Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge nicht mehr erfüllen können“. Auch er sieht in den oft nicht konkurrenzfähigen Bezügen und den hohen Mieten in Stuttgart die Hauptgründe für die städtische Personalmisere. Ortszuschläge gebe es nicht mehr, bezahlbarer Wohnraum für Beschäftigte der Stadt sei Mangelware. Das günstige Jobticket sei in Ordnung. „Das genügt aber nicht, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und vorhandene zu halten.“

Engpässe bei gehobenen Fachstellen

Für den scheidenden Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfe, der ins Sozialressort wechselt, zeichnet der Gesamtpersonalrat ein zu düsteres Bild der Lage. „Wir haben Engpässe bei gehobenen Fachstellen“, räumt Werner Wölfle aber ein. Das liege aber weniger an den Tarifen im öffentlichen Dienst, sondern vor allem an der „wahnsinnig guten Wirtschaftslage in der Region“. Auch die Unternehmen suchten dringend nach Ingenieuren, Meistern und Facharbeitern. „Es gibt aber im Rathaus die Bereitschaft, im Herbst bei den Beratungen zum kleinen Stellenplan nachzubessern.“