Um die Personalnot in den Bürgerbüros und in der Ausländerbehörde zu lindern, hat die Stadt Stuttgart eine Rückrufaktion gestartet: Ruheständler sollen wieder einrücken. Das Echo ist bescheiden, aber zwei Ex-Bürgermeister helfen aus.

Im Welcome-Center der Stadt am Karlsplatz klingelt das Telefon. „Hier Servicetelefon der Ausländerbehörde, Wölfle, wie kann ich Ihnen helfen?“, sagt der frühere Verwaltungs- und Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle. Der 69-Jährige ist Teil eines Trios, das aus dem Ruhestand zurückkam, um bei der Stadt auszuhelfen. Der frühere Ordnungs- und Sportbürgermeister Martin Schairer (70) und sein ehemaliger Referent Hermann Karpf (68) gehören ebenfalls dazu. Das Trio packt an, um die Stammbelegschaft zu entlasten und Vorbild für andere Nothelfer sein. Außer an den Wochenenden ist in der Regel immer einer von ihnen zur Stelle, um sich jeweils vier Stunden lang dem Dauerklingeln zu stellen.

 

Warum das Ganze? Nun, die Stadt Stuttgart steckt in einem zähen Kampf gegen Personalknappheit und Servicedefizite in Bürgerbüros und in der Ausländerbehörde. Bei der Rekrutierung neuer Mitarbeitender sind Erfolge bescheiden. Daher beschloss die Taskforce, die OB Frank Nopper (CDU) Anfang August gegen die Defizite in Stellung brachte, unter anderem eine Mobilisierung von Veteranen. Die Krisen-Arbeitsgruppe verband damit die Hoffnung, die überlastete, von Lücken und Krankheitsfällen gezeichnete Belegschaft so ein bisschen zu entlasten.

Im Vollzeitjob wäre man fix und fertig

Das Trio Karpf/Schairer/Wölfle hatte sich schon bei der Impfkampagne gegen Corona engagiert. Nach dem Aufruf an Ruheständler übernahmen die Drei im Oktober Minijobs. Sie landeten am Servicetelefon der Ausländerbehörde. Die ächzt schon seit 2014 unter großem Andrang von Besuchern. Wölfle schlug vor, das Servicetelefon zum Welcome-Center zu schalten, dem Anlaufzentrum für Neu-Stuttgarter und Arbeitsimmigranten. Die Veteranen nahmen sich zunächst vor, bis Jahresende mitzuhelfen. Nach einer ersten Manöverkritik sagten sie aber zu, ein Vierteljahr dranzuhängen. Denn die Zwischenbilanz sei sehr positiv ausgefallen. Auch die Verwaltung sagt, das „Pilotprojekt“ habe schon zahlreiche positive Reaktionen nach sich gezogen, besonders für die telefonische Erreichbarkeit und dafür, dass Beschwerden nun bearbeitet würden.

Die Drei hören sich an, was die Anrufer wollen, geben Ratschläge und leiten an die richtigen Stellen weiter. Sie entlasten Sachbearbeiter von Anrufen und beglücken Anrufer, weil endlich mal jemand abnahm. Sehr häufig geht es um Aufenthaltsberechtigungen und um Anträge, die seit Monaten nicht beschieden sind. Oft geht es ums Ganze, um die Existenz: Wenn die Aufenthaltsgenehmigung nicht endlich komme, verliere man den Arbeitsplatz, heißt es da beispielsweise. Und manchmal ist die Ausländerbehörde auch der falsche Adressat. Kaum sei ein Gespräch beendet, klingle es schon wieder. In den vier Stunden gingen zwischen 50 und 70 Anrufe ein, sagt das Trio.

Manchmal zu unrecht gescholten

Zu Schairers Fazit gehört auch, dass oftmals über die Arbeit der Ausländerbehörde geredet wird, sie aber auch abhängig ist von anderen Stellen, wie der Bundesdruckerei oder wie der Arbeitsbehörde. Der frühere Ordnungsbürgermeister und vormalige Stuttgarter Polizeichef nimmt sich auch noch der Prüfung und Weiterverfolgung der Anliegen und Beschwerden an, die von den Bürgern mittels der „gelben Karten“ in den Bürgerbüros platziert wurden. Da ist das Hauptärgernis, dass man viel zu lang warten müsse, um auch nur ein fertiges Dokument abholen zu können.

Die Nothelfer und die Amtsleitung sind überzeugt, dass eine Ausweitung dieses Modells wünschenswert wäre – und hilfreich für viele Anrufer. Klar sei aber auch, dass es eines Rückhaltes wie im Welcome-Center bedürfe. Dort sei viel Kompetenz im komplizierten Ausländerrecht daheim. Ein Vollzeitjob am Servicetelefon wäre kaum auszuhalten, da wäre man fix und fertig. Eine oder zwei Ganztagesstellen zu schaffen, löse also das Problem nicht. Zumal man sie wohl kaum besetzen könnte. Wobei man wieder beim Personalmangel ist, dem man mit der Rückrufaktion beikommen wollte.

Das Echo ist nicht groß

Sie hat noch nicht wirklich gefruchtet, lässt man mal das Promi-Trio außen vor. Die Verwaltung sagt, der Aufruf habe bisher einige wenige Rückmeldungen zur Folge gehabt, die jedoch noch nicht zu konkreten Aushilfstätigkeiten geführt hätten. Einen Angeschriebenen, der anonym bleiben will, wundert das nicht. Er sagte unserer Zeitung: „Da wird nicht einmal Mindestlohn bezahlt.“ Seine Frau habe ihm verboten , unter den Bedingungen seine Zeit zu opfern. Die Ruheständler aus Bürgerbüros seien sehr qualifizierte Mitarbeitende gewesen, und auch die Verwaltungsspitze spreche von einer anspruchsvollen Tätigkeit – dazu passe die Bezahlung nicht. Für vieles habe die Stadt Geld, für gut bezahlte Helfer gegen die eklatante Personalnot offenbar nicht.

Der Gesamtpersonalrat hält den Rückruf im Prinzip nicht für schlecht. Für die geringe Resonanz könne mitverantwortlich sein, dass „viele Mitarbeitende der Bürgerbüros sich vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgelaugt fühlten und nicht mehr konnten“. Und ja, die Honorierung gilt der Personalvertretung auch nicht als lukrativ, zumal sich bei Ruheständlern mit früherem Beamtenstatus die steuerliche Einstufung verschlechtere. Das könne man aber nur im Einzelfall klären. Der Personalrat sieht einen roten Faden: Die Verwaltungsspitze stelle den Spielraum für die finanzielle Aufwertung der Arbeit generell immer als sehr eng dar, schütze Zwänge durch Tarifverträge vor. „Aber anderswo geht es doch.“

Die Bezahlung

Beschäftigungsformen
Für die aus dem Ruhestand zurückgeholten städtischen Mitarbeiter kommen laut städtischer Pressestelle eine ehrenamtliche Tätigkeit sowie eine geringfügige/kurzfristige Beschäftigung in Betracht. Beides sei möglich und an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.

Problematik
Ein ehrenamtlicher Einsatz sei letztlich möglich, soweit dieser unentgeltlich bzw. nur mit einer Aufwandsentschädigung erfolge. Die Aufwandsentschädigung dürfe einen bestimmten Betrag nicht überschreiten. Dagegen wäre eine entgeltliche ehrenamtliche Tätigkeit als abhängige Beschäftigung mit den entsprechenden sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Folgen zu bewerten. Eine (geringfügig) kurzfristige Beschäftigung liege vor, wenn die Beschäftigung maximal drei Monate oder maximal 70 Arbeitstage dauere und sie weder berufsmäßig ausgeübt wird „noch die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt (vgl. § 8 SGB IV)“. red