Bei der Stadt Leonberg ist nicht nur im Personaletat kaum Sparwille erkennbar. In der kommenden Woche soll der Gemeinderat den Haushalt für 2023 beschließen.

Am kommenden Dienstag will, vielleicht müsste es besser heißen, soll der Leonberger Gemeinderat in öffentlicher Sitzung den Haushalt für das laufende Jahr beschließen. Ein Termin, geprägt von trockenen Zahlen. Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick, ist doch diese Haushaltsverabschiedung etwas anders als jene der vergangenen Jahre.

 

Allein schon, dass sie erst Ende Januar stattfindet, ist bemerkenswert. Ein Monat des Jahres ist dann schon vorbei. Bisher hatte es der Gemeinderat stets geschafft, den städtischen Finanzfahrplan vor Weihnachten auf den Weg zu bringen, sodass dann im neuen Jahr damit gearbeitet werden kann.

Kulturfabrik durch die Hintertür?

Diesmal waren zu viele Fragen offen, vor allem jene nach den Schwerpunkten: Welche Aufgaben sind wichtig, welche können vernachlässigt werden? Politik nach Prioritäten haben sich die Stadträte jedweder Couleur seit einigen Jahren vorgenommen. Doch mit der Umsetzung hapert es. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen in etlichen Bereichen: Angefangen bei der Frage, ob und wie das Zentrum zu einer autoarmen Innenstadt umgebaut werden soll, bis hin zum Endlosstreit, ob es noch lohnt, Geld in die baulich marode alte Schuhfabrik zu stecken?

Beim erstgenannten Thema macht der Oberbürgermeister Druck, dass die nötigen Gelder fließen. Die „Stadt für morgen“ ist Martin Georg Cohns Lieblingsvorhaben. Bei letzterem Thema hat sich das städtische Kulturamt zumindest indirekt auf die Seite jener geschlagen, die die Schuhfabrik als Kulturzentrum etablieren wollen. Die aufwendige Aktion „Zukunftsstätte Leonberg“, mit deren Umsetzung ein Kölner Kreativstudio vom Kulturamt beauftragt wurde, ist im vergangenen Oktober nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Kritiker monieren, dass viel Geld ausgegeben wurde, um die Schuhfabrik durch die Hintertür doch zu einer Kulturfabrik zu machen.

Kultur belebt zweifelsohne die Stadtgesellschaft. Ob dies aber an einem Ort geschehen muss, der unbestritten in einem desolaten Zustand ist und dessen Instandsetzung Millionen verschlingen würde, darüber lässt sich trefflich streiten. Muss also solch ein Vorhaben in einer hoch verschuldeten Stadt auf der Prio-Liste nach oben? Wohl kaum.

Ähnlich schwer vermittelbar ist die Aufblähung des städtischen Stellenplans, der am Mittwoch mit dem Haushalt beschlossen werden soll. Braucht es wirklich jemanden, der in den Ortschaftsverwaltungen aushilft, wenn im eigentlichen Bürgeramt die Mitarbeiter vor Arbeit kaum Land sehen? Und wenn der Zug beim Bürgerservice doch klar in die digitale Richtung fährt?

Bürokratie lähmt Eigeninitiative

Muss jemand eingestellt werden, um die Arbeit eines Reinigungsdienstes zu überprüfen? Reicht die Fluktuation bei der Stadt als Begründung aus, um das Sekretariat des Personalrates zu vergrößern? Und gibt es niemanden im Rathaus, der den Ingenieuren im Tiefbauamt bei Verwaltungsfragen zur Seite stehen kann? Offenbar nicht, weil eine strikte Ämtertrennung das Ergebnis einer internen Organisationsuntersuchung ist.

All das sind deutliche Warnsignale, dass die Strukturen des Verwaltungsapparates einfach nicht stimmen. Denn eines ist auch klar: Das Klischee vom „faulen Beamten“ ist Quatsch. Aber die Bürokratie lähmt Eigeninitiative und pragmatische Lösungen. Ein fatales Phänomen, das längst nicht nur auf Leonberg zutrifft. Hier die Weichen in Richtung Flexibilität zu stellen, hätte oberste Priorität. Ein Gemeinderat allein kann das freilich nicht stemmen. Wohl aber kann er Zeichen setzen, wenn er erkennbar vermeidbare Stellen nicht einfach durchwinkt.