Die Partei kreist zu sehr um sich selbst und verliert den Draht zu Millionen Bürgern. Seit 1998 haben ihr im Bund mehr als zehn Millionen Wähler den Rücken gekehrt. Ein Kommentar von Bernhard Walker.

Berlin - Berlin ist nicht Paris. Und die SPD ist nicht die sozialdemokratische Partei Frankreichs. Allerdings zeichnet sich fast überall in Europa ein enormer Wandel im Parteiengefüge ab, der alte Gewissheiten hinwegfegt. Kümmerliche 6,3 Prozent der Stimmen fuhr der sozialdemokratische Bewerber bei der letzten Präsidentschaftswahl in Frankreich ein. In den Niederlanden kamen die Genossen bei der Parlamentswahl im März 2017 auf 5,7 Prozent. Das heißt natürlich nicht, dass der SPD zwingend solche Debakel bevorstehen. Doch belegt der Blick über die Grenzen, was passieren kann, wenn eine politische Kraft zu sehr um sich selbst kreist und den Draht zu Millionen Bürgern verliert.

 

Der Personalstreit der letzten Tage war abstoßende Selbstbeschäftigung pur

Diese Phänomene zeigen sich auch bei der SPD. Ihr Personalstreit der letzten Tage war abstoßende Selbstbeschäftigung pur. Seit 1998 haben ihr im Bund mehr als zehn Millionen Wähler den Rücken gekehrt. Es ist ein Problem, wenn eine Partei lange regiert und pausenlos sagt, dass sie das Leben der Menschen verbessere – zugleich aber viele nicht erkennen können, was diese Partei tut, um das wachsende Stadt-Land-Gefälle anzugehen oder die Digitalisierung zu gestalten, die die Gesellschaft rasant verändert. Die SPD muss dringend umsteuern. Denn die über Jahrzehnte währende Stärke der Sozialdemokratie in Westeuropa ist nicht mehr in Stein gemeißelt.