Barbara Koterbicki, die Leiterin der Schloss-Realschule und geschäftsführende Rektorin in Stuttgart, hört auf. Die Brüche im Schulsystem auffangen, gescheiterte Schüler wieder aufs Gleis setzen und bei Corona den Überblick behalten müssen nun ihre Nachfolger.

Stuttgart -

 

Ihre Schränke im Rektorat der Schloss-Realschule im Stuttgarter Westen hat Barbara Koterbicki schon geleert. „Aufgeräumt ist alles – auch im Kopf“, sagt die Pädagogin, die zum Schuljahresende erst in ein Sabbatjahr und dann in den Ruhestand wechselt. „Zeit zu gehen, Zeit für Neues“, hat sie ihre Einladungskarte zur Verabschiedung überschrieben. Doch nach Feiern sei ihr nicht zumute – „jetzt, wo viele Leute ihr Leben und ihr Hab und Gut verloren haben“, sagt die 63-Jährige mit Blick auf die Unwetterschäden. Die Einladungskarte zeigt ein Bild vom Wüstentrekking, fünf Tage lang zu Fuß durch die Sahara, 20 Kilometer am Tag, „meine letzte Fernreise“. Lange her. Endlich wieder so eine Weite zu haben, räumlich, aber vor allem auch zeitlich, darauf freue sie sich. Und jetzt, nach 40 Arbeitsjahren, sei ein guter Zeitpunkt, findet sie.

Ihr Blick zurück zeigt Zufriedenheit: „Ich war sehr gern Lehrerin, sehr gern Schulleiterin und sehr gern geschäftsführende Schulleiterin – aber alles zu seiner Zeit.“ Die war am Anfang nicht einfach, denn als DDR-Bürgerin war mit ihrem Ausreiseantrag die 1981 dort begonnene Schulkarriere als Deutsch- und Russischlehrerin erst mal vorbei gewesen. So überbrückte sie die Zeit bis zur ersehnten Ausreise als Putzfrau. In Baden-Württemberg angekommen, studierte sie erneut, um in ihrem Wunschberuf als Lehrerin arbeiten zu können. Und landete 1993 an der Schloss-Realschule. Und blieb. Wurde 2006 zunächst kommissarische Schulleiterin, 2008 auch ganz offiziell. Um auch leistungsstärkeren Realschülern ein Angebot zu machen, habe sie den Bilingualen Zug reingeholt: Geografie und Musik auf Englisch. 2015 kam für sie noch der Zusatzjob als geschäftsführende Schulleiterin dazu – nicht nur der Stuttgarter Realschulen, sondern auch der Werkreal- und Gemeinschaftsschulen.

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„Wirklich gutes Miteinander“ der verschiedenen Schularten

Drei verschiedene Schularten für die gleiche Schülerklientel? Das sei gut, denn die Ansätze seien durchaus unterschiedlich, findet Koterbicki. Zugleich sei es „wichtig, dass wir nicht in Konkurrenz zueinander stehen“. Tatsächlich hat sie sich als Geschäftsführende für eine gymnasiale Oberstufe der Gemeinschaftsschule starkgemacht – diese beginnt nun im Herbst. Doch auch die Zusammenarbeit mit ihren geschäftsführenden Kollegen der anderen Schularten sei „ein wirklich gutes Miteinander“, berichtet sie. „Es ging nie um meine oder deine Schulart – es ging immer um die Sache, wir haben uns gut ergänzt.“

Forciert wurde dies durch den politisch gewollten Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung und Hunderte von Schulwechslern, die auf dem Gymnasium nicht klarkamen.

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Dass diese einen passenden Platz in einer Real- oder Gemeinschaftsschule bekamen, auch dafür setzte sich Koterbicki ein. Nicht nur strukturell in der Lenkungsgruppe. Auch dafür, diese Kinder mit ihrem „Misserfolg nicht nur im Rucksack, sondern auch im Gesicht“ wieder zu motivieren und zu stützen. „Wenn die’s geschafft haben, das war für mich der größte Lohn“, sagt sie.

Im neuen Schuljahr werden nach ihrer Einschätzung wohl noch mehr Schüler als sonst Nachholbedarf haben. Denn einige seien im vergangenen Schuljahr „weitergegangen, obwohl sie ihr Klassenziel nicht erreicht hatten“. Und: „Wir sorgen uns um die Schüler, die die ganze Coronazeit im Fern- oder Wechselunterricht waren.“ Aktuell können Schüler ganz „unschädlich“ freiwillig wiederholen, die Coronaregeln erlauben das. Wie viele das machen werden, wisse sie noch nicht.

Mit Politikern und Verwaltungsleuten „auf Augenhöhe“

Die Pandemie habe die Zusammenarbeit mit Schulleiterkollegen, aber auch mit Stadt, Schulamt und Ämtern verstärkt. Auch von Schulbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) habe sie sich gut unterstützt gefühlt, etwa bei iPads, Masken, Testungen. „Ich hatte immer das Gefühl, dass Politiker, aber auch Verwaltungsleute mit uns auf Augenhöhe sprechen und uns auch zuhören“, so Koterbicki.

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Bei Schülern läuft das anders. Die Sache mit der Jogginghose hatte sie längst vergessen. Bei ihrer Abschiedsfeier erinnerte sich ein Schüler aber genau an diese Episode – und hatte die Lacher auf seiner Seite. „Regeln sind bei uns an der Schloss-Realschule klar definiert“, sagt Koterbicki. Und dies gelte auch für die Schulkultur. Und so habe sie den Antrag eines Vorzeigeschülers, den dieser im Auftrag der SMV gestellt hatte, nämlich Jogginghosen in der Schule zu erlauben, mit einer Gegenfrage gekontert. Ob er Karl Lagerfeld kenne. Den kannte der Schüler nicht. „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“, zitierte die Rektorin den Star-Modeschöpfer. Da sei der Schüler wieder abgezogen und das Thema erledigt gewesen.

Am 30. Juli gibt die Rektorin ihren Generalschlüssel ab

Am 30. Juli hat Koterbicki ihren letzten Arbeitstag, da sei ihr ein wenig bang. „Da geb ich meinen Generalschlüssel ab.“ Und das sei dann doch ziemlich endgültig. Aber, so die Schulleiterin: „Ich wollte gehen, wenn es noch gut geht.“ Und noch ein bisschen besser die Welt kennenlernen. Diese Welt, die für sie früher hinter der Mauer war. Die Schloss-Realschule übernimmt zum 13. September Katja Ibrahim, bisher Konrektorin an der Elise-von-König-Schule. Neuer geschäftsführender Schulleiter der Sek-1-Schulen wird zum 1. August Gerhard Menrad, der die Anne-Frank-Gemeinschaftsschule leitet.