„Pet Sounds“ von den Beach Boys findet sich auf jeder Liste der besten Platten aller Zeiten ganz vorn. Zum fünfzigsten Geburtstag des Albums gratuliert Arte und kritisiert zugleich die Unkultur des Downloads.

Stuttgart - Der Superlativ ist ein Grundnahrungsmittel täglicher TV-Kost. Einst allenfalls als ergänzende Zutat verwendet, würzt es mittlerweile ganze Programmmenüs. RTL etwa listet seit Jahren erfolgreich „Die zehn größten/schönsten/peinlichsten Aufreger/Momente/Pleiten“ auf. Auch anderswo kommt kaum eine Doku über Natur und Technik ohne Höchstleistungen aus. Sat 1 feiert Megahotels, das ZDF Supertalente, dauernd ist irgendwas ultimativ, wofür mit N24 und n-tv ganze Abspielstationen eröffnet wurden. Da ist es mit Vorsicht zu genießen, wenn selbst auf Arte plötzlich der Superlativ regiert.

 

Freitagabend ist dort eine Stunde lang pausenlos vom einflussreichsten Album aller Zeiten die Rede, wenn nicht dem besten. Das klingt besonders im Geschmacksmetier Musik zwar höchst subjektiv, voreingenommen, gar willkürlich; im Falle der bejubelten Platte ist an der Eloge allerdings auch einiges dran. Es geht ums „Pet Sounds“, ein Meisterwerk der Frühphase des Pop, mit dem die Beach Boys ihr Genre 1966 nicht weniger als revolutioniert haben. Zum fünfzigsten Geburtstag erklären uns die noch lebenden Mitglieder der Band, wie sie es seinerzeit produziert haben und ein bisschen auch die Geschichte der Beach Boysinsgesamt. Vor allem die von Brian Wilson.

Er war der Kopf dieses strandblonden Quintetts aus Kalifornien, im Gegensatz zu zwei Brüdern, dem Cousin und einem Kumpel von nebenan am Bühnenrand zwar kein allzu hübscher, aber einer voll brillanter Ideen. Seine Arrangements brachten die Sixties erst so richtig zum Swingen und machten die Beach Boys zum erfolgreichsten Wellenreiter des Surf-Rock jener Tage. Girls, Fun, Girls, Party, Girls – ein paar Jahre, bevor Studenten im benachbarten Berkeley politisch die Jugendkultur radikalisierten, war das ihr emanzipatorischer Kern. Und die Beach Boys vertonten ihn mit hymnisch schöner Sorglosigkeit.

Im Olymp der bedeutendsten Platten

Zu hymnisch, zu schön, zu sorglos – das versichert der geistig rege Brian Wilson ein halbes Jahrhundert später nun in Martin R. Smiths Film immer wieder. Um die sehr einträgliche, aber zusehends öde Aufwärtsspirale aus Popularität, Kommerz, noch mehr Popularität und noch mehr Kommerz zu durchbrechen, begann der begnadete Kompositeur mit Fahrradklingeln, Brausedosen, Waldhörnern zu experimentieren. Statt die Strandsause ewig fortzusetzen, drangen auch die Texte tiefer ins Innere der Sonnyboys vor. Das Ziel war eine Neudefinition des Pop mit den Mitteln des Produktionsgenies Phil Spector, dessen „Wall of Sound“ den analogen Minimalismus kurz zuvor mit allerlei Klangeffekten orchestral aufgebläht hatte.

Und es gelang. Weil „Pet Sounds“ das polierte Image der fünf Frohnaturen erstmals anraute, zweifelten ein paar Manager zwar reflexhaft an den Erfolgsaussichten. Doch es verkaufte sich in aller Welt glänzend und stieg fast zeitgleich auf in den Olymp der bedeutendsten Platten, die Arte seit Jahren mit der Filmreihe „Classic Album“ feiert. Wenn Brian Wilson darin jetzt mit den zwei verbliebenen Beach Boys Mike Love und Al Jardine nebst zwei der damals knapp fünfzig Studiomusiker zurückblickt, wird mitunter ein wenig viel gefeiert, vor allem sich selbst. Dem Tonfall der Lobeshymnen aller Beteiligten würde ein Hauch von Selbstironie daher guttun. Einerseits.

Schallplatte als sinfonisches Konzept

Andererseits feiert das Bandporträt am Beispiel ihres zentralen Werks nicht nur Menschen, sondern deren Material. Per Download einzelner Tracks längst lieblos in seine Einzelteile zerhackt, erfährt das Musikalbum als solches somit eine Würdigung, von der es unbedingt mehr geben sollte. Wenn die Kreativen wie einst an den Reglern drehen und mit allerlei Superlativen im Vokabular über sich und ihr Produkt staunen, wenn Mittsiebziger wie kleine Jungs in die eigene Jugend reisen und Superlative dabei weniger selbstgefällig als angemessen purzeln, dann geben sie der Schallplatte als sinfonisches Konzept ein Stück ihrer Seele, ihrer Würde, ihrer Bestimmung zurück. Schon dafür lohnt sich die Eloge ans ultimative Megasuperalbum des modernen Pop.

Freitag, Arte, 21.55