Vor einem Jahr beginnt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Viele Menschen müssen ihre Heimat verlassen – oft ohne ihre Tiere. Die Tierrechtsorganisation Peta und ukrainische Tierschützer sind seither im Dauereinsatz.

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Judith Pein erinnert sich noch gut an Serhiy. Seine Familie war längst geflohen, aber er lebte weiter in seinem Haus im ukrainischen Bachmut. Die Stadt in der Region Donezk stand unter Dauerbeschuss, aber der Mann blieb – weil er seine Tiere, drei Hunde und vier Katzen, nicht einfach zurücklassen wollte. Irgendwann wandte er sich dann aber an die Tierschützer von Animal Rescue Kharkiv, die die Vierbeiner in einer ihrer Notunterkünfte in Charkiw unterbrachten. Und Serhij floh.

 

Pein, die sich für die Tierrechtsorganisation Peta in der Ukraine einsetzt, erlebt so etwas immer wieder seit Russland den Staat in Osteuropa vor einem Jahr angriff. Peta und Animal Rescue Kharkiv arbeiten eng zusammen, um Tiere zu evakuieren, sie aufzupäppeln und sie zu beherbergen, solange ihre Besitzer das nicht können.

Wohnungen und Ställe als Notunterkunft für Tiere

Anfangs wurden die Tiere bei Partnerorganisationen in Polen untergebracht, als sich die Lage im Grenzgebiet zunehmen schwierig gestaltete, folgte der Umzug nach Ungarn. 300 Hunde und Katzen finden in den dortigen Partnertierheimen Platz. In der Ukraine selbst, in Charkiw, finanzierte Peta den Aufbau einer Tierklinik für ihre ukrainische Partnerorganisation. Im Keller, vor Bombenangriffen geschützt, und mit Stromaggregaten ausgestattet, werden hier etwa Knochenbrüche behandelt und durch Mienen verursachte Verletzungen versorgt. Tiere, denen es besser geht, kommen in dafür angemieteten Wohnungen und Ställe in der zweitgrößten ukrainischen Stadt unter.

Als die Tierschützer einen Hund an der Kette aus seiner Hütte locken wollen, hört man Raketen pfeifen. Alle gehen in Deckung. Die Evakuierung gelingt trotzdem. Pein hat die Situation auf Video festgehalten. Und beschreibt noch genauer: „Die Artilleriegeschosse sind laut, alles ist zerstört.“ Auch wenn die Einsätze riskant seien, sei es keine Option, die Tiere „kläglich sterben zu lassen“. 2000 Vierbeiner konnten so bereits gerettet werden.

Aber warum werden Tiere und Besitzer überhaupt getrennt? Weil sich viele Hilfsorganisationen nur um Menschen, nicht aber um deren Tiere kümmerten, erläutert Pein. Oder weil Notunterkünfte für Menschen oft keine Tiere erlaubten. Die Konsequenz: Sofern sich die Ukrainer dann überhaupt helfen ließen, müssten sie ihre Vierbeiner unter großer Trauer zurücklassen.

Riesige Wiedersehensfreude

Kommt es dann zum Wiedersehen, ist die Freude riesig. Pein erinnert sich etwa an einen neun Jahre alten Jungen, der seine Katze in Bachmut zurücklassen musste. „Der Moment, als der Junge das Tier in Kiew wieder in die Arme nehmen konnte, war einfach einzigartig“, sagt sie. Die Tierrechtlerin von Peta erzählt auch von einer Frau, die von Frankreich an die ungarisch-ukrainische Grenze reiste, um ihr Tier nach einer längeren Trennung wieder in Empfang zu nehmen.

Peta und ihre ukrainischen Partner nehmen im Regelfall nicht einfach Tiere mit, die ihnen begegnen. „Oft gehören sie Menschen, die gar nicht gehen wollen“, klärt Pein auf. Natürlich gebe es Ausnahmen, etwa wenn sie verletzte Tiere fänden. Häufiger helfen die Tierretter aber dann, wenn sie gerufen werden – etwa von aufmerksamen Nachbarn oder den Besitzern selbst, wie in Serhiys Fall.

Apropos: Wie geht es ihm und seinen Tieren heute? Der Mann ist weiter westlich in der Ukraine untergekommen, seine Vierbeiner in einer der Notunterkünfte in Charkiw. „Ein Hund ist bereits bei Verwandten und die restlichen Tiere warten jetzt, bis Serhij sie wieder aufnehmen kann.“