Pete Doherty hat jede Menge zu feiern: ein neues Album, eine neue Tournee – und seinen 40. Geburtstag.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Wer Pete Doherty mal um viertel nach elf, mal weit nach Mitternacht auf die Bühne hat kommen sehen, ohne ein Wort der Entschuldigung und höchsten mit fadenscheinigen Ausreden, wird gewiss den jetzt angesetzten Liveterminen am 17. Mai in Köln, am 19. Mai in Berlin und am 21. Mai in München entgegenfiebern.

 

Anlass ist das an diesem Freitag erscheinende Debütalbum seiner neuen Formation Peter Doherty and the Puta Madres. Elf neue Songs präsentieren der britische Songwriter und seine bunt in Europa zusammengewürfelte Truppe. Diese Puta Madres spielen auch Geige und Keyboard, zwei in Dohertys Ouevre bisher nicht gerade prägende Instrumente, und zitieren sich gemeinsam mit Doherty an Erbfolgelinien von Iggy Pop und Oasis entlang, ohne dass der angenehm dahinziehende Sound zu ruppig geraten würde. Es ist ein Album, das unverkennbar Dohertys Handschrift trägt, von der schlecht gestimmten Gitarre bis hin zum nöligen und doch präsenten Gesang, unter Verzicht auf jene schroffen Brüche, die nicht nur Dohertys Leben, sondern auch seine Musik kennzeichneten.

Für Amy MacDonald ist er der „Poison Prince“

Wie gut das Album in der Summe klingt, ist eine Frage der Maßstäbe, die man anlegen möchte. Nimmt man die ersten beiden exzellenten Alben seiner ursprünglichen Band The Libertinesals Vergleich, langt Doherty nicht im entferntesten an seine einstige Form heran. Sollen die Alben der Nachfolgeband Babyshambles die Messlatte sein, insbesondere deren Debüt „Down in Albion“, wird es ebenfalls schwer, der neuen Produktion etwas Besonderes abzugewinnen. Schaut man auf sein folgendes, vor zehn Jahren erschienenes Solodebüt „Grace/Wastelands“, wird’s immer noch schwer. Doherty knüpft allenfalls dort an, wo er vor drei Jahren mit „Hamburg Demonstration“ aufgehört hat – Hamburg war damals seine Wahlheimat. Deshalb ist in diesem speziellen Fall vielleicht auch nicht so interessant, dass hier ein Berufsmusiker neue Musik aufgenommen hat, sondern dass dieser Musiker dieser Tage tatsächlich ein rundes Jubiläum zu feiern hatte. Doherty ist vierzig Jahre alt geworden, was weitaus unglaublicher ist, als dass Lemmy Kilmister siebzig Jahre und sogar vier weitere Tage alt geworden ist oder dass Keith Richards mit seinen 75 Jahren noch immer unter uns weilt.

„Ich weiß, dass es nicht normal ist, mit meiner Art zu leben vierzig Jahre alt zu werden“, sagt der Mann, den Amy Macdonald in ihrem Lied „Poison Prince“ verewigt hat, in einem Interview mit dem „Musikexpress“: „Ich betrachte mich selbst als Überlebenden“, sagt er noch – und so ist es wohl auch angesichts der unzähligen Exzesse und Entgleisungen, die sich der Offizierssohn und einstige Lyrikstipendiat schon gegönnt hat.

Kindlicher Habitus, ergraute Haare

Vierzig Jahre! Schwaben werden in diesem Alter angeblich gescheit. Das mag man bei Doherty auf den ersten Blick kategorisch ausschließen. Sehr reflektiert klingen die Sätze nicht, die der Mann mit dem kindlichen Habitus, den neugierig in die Welt schauenden Augen und dem bereits ergrauten Haarschopf auch in sonstigen Interviews zum Wiegenfest von sich gibt. Auch wenn er immer mal wieder Läuterung gelobt: das Schelmische und Unkontrollierbare steckt immer noch in dem sich jetzt „ganz seriös“ Peter nennenden Mann.

Aber davon abgesehen, dass Genie oft mit einem Schuss Wahnsinn einhergeht: Ein vorzüglicher Musiker und toller Songwriter ist und bleibt Peter Doherty. Und ein exzellenter Performer ist er – wenn er es auf die Bühne geschafft hat – obendrein. Selbst wenn er mit seinem neuen Album keine Bäume ausreißen sollte, stehen weitere gute Nachrichten ins Haus. Die Libertines, die einzig wahre Heimat dieses weltentrückten Weltenbummlers, haben soeben ihr erstes Festivalkonzert in diesem Sommer bestätigt – mit Peter Doherty. Und ein neues Album von ihnen ist, so offenbarte der zweite Libertines-Kopf Carl Bârat dem „New Musical Express“, offenbar auch schon in Planung.