Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Peter Conradi wird am heutigen Montag 80 Jahre alt. Und er hadert mit der SPD.

Stuttgart - Am heutigen Montag wird ein politisches Urgestein 80 Jahre alt – und kein bischen leiser: Peter Conradi, der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete ist seit 53 Jahren in der Partei und nie ein braver Genosse gewesen. Kurz vor seinem 80. Geburtstag hat der „Unruhestifter“ zusammen mit den beiden anderen „Uraltmitgliedern“ Siegfried Bassler und Roland Ostertag der hiesigen Sozialdemokratie in einem deutlich formulierten offenen Brief erneut kräftig die Leviten gelesen.

 

„SPD an personellem und intellektuellem Tiefpunkt“

„Die Stuttgarter SPD ist an einem programmatischen, personellen, intellektuellem Tiefpunkt angelangt“, heißt es in dem Schreiben, das der selbstbewusste Conradi und seine beiden Mitstreiter in „Trauer um die alte Tante SPD“ verfasst haben. Tröstende Worte sind in dem Brief nicht zu finden. Stattdessen geißelt Conradi die „Zustimmung zur chaotischen, miserablen, stadtzerstörenden Planung der Bahn“ sowie die Demontage des sozialen Profils durch die „Verscherbelung Tausender Sozialwohnungen“ sowie das Ja zu den Mieterhöhungen bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG. Und der SPD-Gemeinderatsfraktion wirft er vor, mit ihrem mehrheitlichen Ja zum Bau des umstrittenen Rosensteintunnels die „innerparteiliche Demokratie beschädigt“ zu haben. Mit diesen Selbstdemontagen habe die einst so stolze Partei, die im nächsten Jahr 150 Jahre alt werde, „Eigenständigkeit und Glaubwürdigkeit“ verloren. Das Verhalten einiger führender SPD-Mitglieder nennt Conradi sogar „parteischädigend“.

Genau dieser Begriff fällt auch so manchem Genossen beim Reizwort Conradi ein. Viele SPD-Mitglieder waren über dessen öffentliche Empfehlung empört, bei der OB-Wahl im Oktober gefälligst den Grünen Fritz Kuhn statt der eigenen Bewerberin Bettina Wilhelm zu wählen. Von „unsolidarisch“ über „Taliban“ bis „Dolchstoß“ lauteten die innerparteilichen Kommentare. Der Ex-Kreisvorsitzende und Stadtrat Andreas Reißig forderte den Altgenossen öffentlich auf, die SPD zu verlassen, „wenn Conradi noch einen Funken Anstand und Verantwortungsbewusstsein hat“. Für Conradi hingegen ist Reißig ein führender Genosse, in dessen Zeit als Kreisvorsitzender sich „der Sinkflug der Partei bei Wahlen“ fortgesetzt habe. Trotz der „hausgemachten desaströsen Situation“ gebe es keine Konsequenzen, nur eine Fortsetzung der bisherigen „Politik“.

Der Jubilar hat es seiner Partei nie leicht gemacht

Reißigs Attacke schlug in der SPD hohe Wellen. Mehr als 450 „SPD-Mitglieder-gegen-Stuttgart 21“, erklärten via Unterschrift im Internet, dass Wilhelm die OB-Wahl nicht wegen Conradi verloren habe. Sie sei vielmehr „Opfer des desolaten Zustands der Stuttgarter SPD“ geworden, den vor allem die Gemeinderatsfraktion zu verantworten habe. Die Wähler vertrauten keiner Partei, deren Vertreter am „katastrophalen Bahnprojekt Stuttgart 21“ festhielten und neue Fakten ignorierten.

Peter Conradi, der für die Stuttgarter SPD von 1972 bis 1998 als Abgeordneter im Bundestag, saß, hat es seiner Partei nie leichtgemacht. Aus Protest gegen die rot-grüne Sozialpolitik ließ der Mann mit der Fliege 2005 seine Mitgliedschaft eine Weile ruhen. Der Architekt pflegte stets den Widerspruch und sagte seiner Partei in jüngster Zeit vor allem wegen Stuttgart 21 den Kampf an. Dass er bei der OB-Wahl 1974 gegen Manfred Rommel verloren hat, wissen nur noch wenige. Dennoch war Conradi lange ein Garant für gute Ergebnisse der Stuttgarter SPD.

Am Ende des blauen Briefes an die Partei klingt trotz allem noch ein Geburtstagswunsch des „alten Elefanten, der noch etwas zu sagen hat“, wie Peter Conradi sich einmal selbst charakterisierte, an. „Das DU und das WIR, soziale Gerechtigkeit, Glaubwürdigkeit, Solidarität, Verantwortung, Vertrauen müssen wiederentdeckt und großgeschrieben werden.“