Der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage macht nicht nur in der Erfolgsserie „Game of Thrones“ als Tyrion Lannister Furore. Der Emmy-Gewinner muss sich trotz seiner Körpergröße keine Gedanken um Angebote machen. Das war nicht immer so.

Hollywood - Größe zeigt einer dann, wenn er noch in der Stunde des Triumphs sich mit denjenigen solidarisiert, denen das Schicksal weniger gut mitspielte. „Ich möchte einen Mann in England erwähnen, an den ich heute denken musste. Sein Name ist Martin Henderson. Googelt ihn.“ Mit diesen Sätzen schloss der Schauspieler Peter Dinklage im vergangenen Jahr seine Dankesrede, nachdem ihm für seine Mitwirkung an der TV-Serie „Game of Thrones“ der Golden Globe verliehen worden war. Martin Henderson, wie Dinklage kleinwüchsig, war kurz zuvor im englischen Somerset von einem unbekannten Angreifer so schwer verletzt worden, dass er seitdem eine Gehhilfe benötigt. Dinklage hatte von dem Fall im Internet gelesen und sich dann spontan entschieden, die Preisverleihung dafür zu nutzen, den Angriff auch dem US-Publikum bekannt zu machen. Mit Erfolg: am Tag danach war der Vorfall ein Topthema auf Twitter.

 

Fast scheint diese Episode darauf hinzudeuten, dass Dinklage eine Maxime der von ihm in „Game of Thrones“ verkörperten Figur übernommen hat. „Vergiss niemals, was Du bist. Denn die Welt wird es sicher nicht vergessen“, sagt Tyrion Lannister in einer Szene. Denk immer dran, denn die Zeiten können auch wieder schlechter werden. Und schlechte Zeiten kennt Dinklage nur zu gut. Hänseleien in der Schule. Aber auch Armut, am Anfang seiner Laufbahn.

Ein Leben in Armut mit Ratten in den Öfen

Nachdem er Anfang der neunziger Jahre von New Jersey, wo er als Sohn eines Versicherungsvertreters und einer Musiklehrerin aufgewachsen war, nach New York gezogen war, um eine Laufbahn als Schauspieler zu beginnen, lebte er dort unter erbärmlichen Verhältnissen. In einer Wohnung, die nicht zu beheizen war, weil in den Öfen Ratten hausten; in der man kaum schlafen konnte, weil die Wände wackelten, wenn die Züge über die an die Behausung angrenzenden Gleise donnerten.

Lebensumstände, die Dinklage nicht zuletzt sich selbst zuzuschreiben hatte. Er spielte damals zwar in einigen Theaterstücken und gelegentlich in Low-Budget Filmen mit. Werbeaufträge nahm er aber keine an – weil er nicht Rollen spielen wollte, für die eben typischerweise kleinwüchsige Schauspieler gebucht werden: Elfen oder Kobolde. Dinklage hat zwar kein Problem damit, sich selbst als „Zwerg“ zu bezeichnet. Aber als Künstler mit Anspruch wolle er Personen, nicht bloß ein Adjektiv spielen, sagt er. Der Preis dafür war hoch: Selbst nach seiner ersten Filmrolle in „Living in Oblivion“ (1995), in dem immerhin der Hollywoodstar Steve Buscemi die Hauptrolle spielte, wollte immer noch kein Agent den nur 1,35 Meter großen Mimen vertreten.

Ein Wendepunkt seiner Laufbahn war das Jahr 2003: Für „The Station Agent“ erhielt Dinklage, der in dem Film einen von Zügen besessenen Mann verkörpert, gute Kritiken. Mit der Karriere ging es aufwärts, mehrere Theaterengagements sowie Auftritte in TV-Produktionen, etwa der Serie „Nip/Tuck“, folgten. In der schwarzen Komödie „Sterben für Anfänger“ spielt er den ungebetenen Besucher einer Beerdigung. Seinen Durchbruch feierte Dinklage, der seit 2005 mit der Theaterregisseurin Erica Schmidt verheiratet ist, aber erst mit der Serie „Game of Thrones“, die im April 2011 erstmals in den Vereinigten Staaten ausgestrahlt wurde. Seitdem hat Peter Dinklage weltweit Fans.

„Es ist nicht einfach, die ganze Zeit betrunken zu sein“

Dabei war er zuerst skeptisch, als ihm die Rolle des Tyrion angeboten wurde. Dinklage war zwar von Anfang an die Wunschbesetzung der Produzenten. Der Darsteller selbst argwöhnte allerdings zunächst, dass es sich bei dem Angebot wieder einmal um die stereotype Rolle eines Fantasy-Zwerges handeln würde, wie man ihn etwa aus „Herr der Ringe“ kennt – und wie ihn Dinklage selbst ein einziges Mal, nämlich in der Verfilmung der „Chroniken von Narnia“, gespielt hatte. Dann las er das Drehbuch – und musste feststellen, dass die für ihn vorgesehene Figur sämtliche abgenutzten Klischees über den Haufen wirft. Tyrion hat keinen langen verfilzten Bart und keine spitzen Stiefelchen, sondern ist ein ganzer Mensch, mit Gefühlen und Begierden. Jeder Menge Begierden sogar.

Was für die Figur gilt, lässt sich nicht minder über die gesamte Serie sagen. Mit J. R. R. Tolkiens Fabelwelt hat das epische Werk George R. R. Martins kaum etwas gemeinsam. „Game of Thrones“ erzählt vom Schicksal einer Reihe von Adelsfamilien, die miteinander um die Macht in den „Sieben Königslanden“ ringen. Mord, Intrigen und Sex beherrschen das Geschehen, das in einem mittelalterlichen Setting angesiedelt ist. Wo sonst im Fantasygenre die Welt übersichtlich geordnet ist und auf der einen Seite die Guten, der anderen das abgrundtief Böse steht, ist Martins Erzählung weitaus komplexer. Makellose Helden gibt es nicht, andere Figuren, die als Bösewichte eingeführt werden, zeigen plötzlich liebenswerte Eigenschaften.

Tyrion ist der ungeliebte Sohn von Tywin Lannister, dem Familienoberhaupt der mit Abstand reichsten und unausstehlichsten Sippe der „Sieben Königslande“. Da Tyrion als Kleinwüchsiger kaum zum tapferen Kämpen taugt, tut er das, was man als Privatier eben so macht: herumhuren und saufen. Ein Snob, der seinen Lebenswandel mit Sätzen rechtfertigt wie: „Es ist nicht einfach, die ganze Zeit betrunken zu sein. Wäre es einfach, dann würde es jeder tun.“ Im Verlauf der Handlung wird Dinklages Figur aber immer wichtiger – und immer sympathischer. Zwar ist auch Tyrion hinterlistig, aber im Vergleich mit seiner verkommenen Verwandtschaft im Grunde seines Herzen ein aufrechter Kerl.

Seit „Game of Thrones“ hagelt es Auszeichnungen

Für Dinklage bedeutete die Rolle einen enormen Karrieresprung, er wurde für sie nicht nur mit dem Golden Globe, sondern auch mit einem Emmy ausgezeichnet. Die Zeitschrift „GQ“ kürte ihn 2011 zum „Mann des Jahres“, der „Rolling Stone“ und die „New York Times“ druckten große Porträts. Um ausreichend Angebote muss sich Dinklage derzeit nur wenig Gedanken machen. 2014 startet etwa der neueste Teil der Comicverfilmung „X-Men“, in der Dinklage den Bösewicht spielt. Und natürlich dreht er weiter neue Episoden von „Game of Thrones“ – die Arbeiten an der vierten Staffel haben im Juli begonnen.

Wie lange er Tyrion spielen darf, ist allerdings ungewiss. Die bisher ausgestrahlten Staffeln der Serie zeigen nämlich, dass George R. R. Martin viel Freude daran zu haben scheint, auch Sympathieträger unerwartet sterben zu lassen. „Der Tod ist so endgültig“, sagt Tyrion einmal. „Das Leben dagegen steckt voller Möglichkeiten.“ Recht hat er. Und um diese Möglichkeiten zu nutzen, muss man zwar lebendig, aber eben nicht besonders groß gewachsen sein.