Die Visite mit einer katholischen Jugendgruppe in Frankreich vor mehr als 50 Jahren hat Peter Freitag fürs Leben geprägt. Der überzeugte Europäer trifft sich demnächst mit seinen alten deutschen und französischen Kumpels von anno dazumal in Backnang.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Im kommenden Jahr feiert die Partnerschaft zwischen der ehemaligen süddeutschen Gerberstadt Backnang und dem französischen Städtchen Annonay südlich von Lyon ihren 50. Geburtstag. Das gibt ganz bestimmt eine große Sause. Der Backnanger Peter Freitag, mittlerweile 67 Jahre alt, indes feiert demnächst zusammen mit ein paar Freunden aus Backnang und aus Annonay bereits den 51. Der rüstige Rentner gehört nämlich zu den Pionieren und Wegbereitern der Städtepartnerschaft. Am ersten Wochenende im September treffen sich rund zwei Dutzend Deutsche und Franzosen in der Murrstadt, sie werden auch höchst offiziell von der Stadtverwaltung im Rathaus empfangen. Ehre, wem Ehre gebührt.

 

Der damals 17-jährige Peter war anno 1964 Mitglied jener Backnanger Gruppe der katholischen Jugend, die losgeschickt wurde, um die Chancen auf eine offizielle Verbindung der Murrstadt mit der Kommune im Nachbarland auszuloten – von dieser Mission indes wussten die jungen Leute nichts. Sie freuten sich über zwei Wochen im Süden, auf den lockeren Lebenswandel und vermutlich auch auf die Französinnen.

Vorbehalte gegenüber Deutschland und den Deutschen

Kurze Zeit vor ihrem Trip, erzählt Peter Freitag an diesem heißen Sommertag auf dem Balkon seiner Wohnung in Backnang, seien drei SPD-Stadträte bereits in Annonay gewesen. Sie seien aber nicht wirklich voran gekommen in ihrem Bemühen, die einstige Feindschaft mit Frankreich zu überwinden. Der Annonayer Bürgermeister sei nicht im Rathaus gewesen, und sein Stellvertreter habe lediglich erklärt, dass ein Schreiben des Backnanger Oberbürgermeisters wohl hilfreich sein könnte. Das Trio zog wieder ab nach Backnang.

Der Zweite Weltkrieg war damals noch keine 20 Jahre vorbei gewesen, die Vorbehalte gegenüber Deutschland und den Deutschen war aus nachvollziehbaren Gründen bei vielen Franzosen groß. Das habe auch er erlebt, sagt Freitag. Während eines Sonntagsbesuchs in einer Familie in Annonay habe sich der Vater nicht blicken lassen, er habe den jungen Mann aus Deutschland nicht treffen wollen. Später hingegen sei dieser französische Vater sogar Mitglied in der deutsch-französischen Architektenkammer geworden. Und der Sohn dieses Mannes ist noch heute ein guter Freund von Peter Freitag, auch er kommt zur Feier des 51. nach Schwaben.

Die Mission ist offenkundig gelungen

Peter Freitag vermutet, dass die von der CDU geführte Stadt Backnang Mitte der 1960er-Jahre ganz bewusst eine katholische Jugendgruppe ausgewählt hat, quasi als Testballon – um ja nicht von Jusos vertreten zu werden. Aber das, sagt Freitag und grinst dabei verschmitzt, sei nur eine Vermutung. Es ist jedenfalls lange her – und im Rückblick auch ganz egal. Denn die Mission ist offenkundig gelungen. Die Städtepartnerschaft lebt, mit Hochs und mit Tiefs – aber sie lebt. In den vergangenen Jahrzehnten haben zahlreiche Backnanger Annonay besucht, jene einstige Hochburg der Resinstance, die von 1940 bis 1945 gegen Nazideutschland kämpfte. Und viele Franzosen haben Backnang gesehen.

Erst vor ein paar Jahren sei ihm zu Ohren gekommen, dass vielen Menschen in Annonay der Auftritt der katholischen Jugend 1964 nicht gefallen habe, denn die Backnanger trugen Uniformen, Pfadfinderuniformen. Außerdem sei behauptet worden, dass die Deutschen Marschmusik gesungen hätten. Stimmt nicht, sagt Freitag. Es muss es wissen. „Wir haben halt Pfadfinderlieder gesungen, ‚Wenn die bunten Fahnen wehen’ zum Beispiel.“

Ein Faible für Israel entwickelt

Freitag hat zig mal Annonay besucht. Später war er oft in Polen – und seit ein paar Jahren hat er ein Faible für Israel entwickelt. Ein paar Tage nach dem Treffen mit den einstigen Jugendfreunden aus Backnang und aus Annonay fliegen er und seien Gattin mal wieder nach Israel.

Mit der deutsch-französischen Freundschaft ist Peter Freitag im Allgemeinen ganz zufrieden – mit Europa und mit der Art und Weise, wie zurzeit über Griechenland hergezogen werde, aber nicht. „Ich habe den Eindruck: alle haben sich gegen ein Land verschworen.“