Vormals monofunktionale Technologien laden sich mit immer neuen Funktionen auf. Das Telefon zum Beispiel: Da geht es schon längst nicht mehr bloß ums Telefonieren. Vor allem in der Zukunft, schreibt Peter Glaser.  

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Eine der interessanten Leitströmungen in die technologische Zukunft ist die Hybridisierung – Technologien, die sich mit zusätzlichen Funktionen aufladen. Bespiele für die Hybridisierung sind etwa mobile Akku-Festplatten mit eingebautem Display oder Kameras mit integriertem Mini-Projektor, und natürlich die vielfunktionalen Smartphones. Was einst mit einem Tischtelefon mit Display - um E-Mails zu lesen - angefangen hat, ist inzwischen mit iPhone & Co zu einer eigenen Geräteklasse jenseits des klassischen PCs aufgestiegen.

Welche Potentiale die Hybridisierung bietet, sieht man an dem Universum der Apps. Mit den kleinen Applikationen läßt sich ein Smartphone oder ein Tablet nicht nur um ein, zwei Funktionen erweitern, sondern inzwischen um tausende. Die Hybriden der Zukunft werden etwas wie technologische Chamäleons sein. Die Kombinationsmöglichkeiten werden keineswegs auf die digitale Technik beschränkt bleiben – Stichwort Cyborg.

Wer braucht schon ein Telefon?

Als Alexander Graham Bell das Telefon erfunden hatte, sagte der damalige US-Präsident Hayes, nachdem er es ausprobiert hatte: „Eine erstaunliche Erfindung. Aber wer sollte sie jemals benutzen wollen?“ Für Nutzer ist eine neue Technologie immer auch eine Aufforderung, gewohnte Wege zu verlassen und eine gewisse Unbequemlichkeit auf sich zu nehmen, ehe das Wunder der Transformation stattfindet. Aber nicht jede Kombination von Eigenschaften ist erfolgreich.

Ein tragisches Fortschrittsphänomen sind die „Ingenieurserfindungen“. Dabei handelt es sich um Innovationen, mit denen zwar ein Ingenieur einen anderen Ingenieur beeindrucken kann, deren Mehrwert sich aber dem gewöhnlichen Nutzer nicht recht erschließt. Das Bildtelefon zum Beispiel hat bereits eine erstaunlich mühevolle Geschichte hinter sich. Die ersten Bildtelefone gab es schon in den dreissiger Jahren und kaum ein Science Fiction-Film kommt ohne sie aus. Es hat Jahrzehnte gedauert, ehe die Nutzung nun endlich mit Skype einigermaßen alltagstauglich und akzeptiert ist (wenn auch die Übertragungsqualität manchmal ins Steinzeitliche zurückfällt).

Angesichts einer zunehmend alternden Gesellschaft werden Telepräsenz-Systeme an Bedeutung gewinnen. Im US-Bundesstaat Utah gibt es beispielsweise eine gesetzliche Regelung, derzufolge „virtuelle Besuche” Teil einer Scheidungsvereinbarung werden können. Ein separierter Elternteil darf darauf hoffen, zumindest per Bildtelefon weiterhin am Alltag der Kinder teilhaben zu können.

Mit dem Schmuck telefonieren

Bei den Wearables schließlich - tragbarer Computer- und Kommunikationstechnik - spielen auch analoge Komponenten eine Rolle: Die „intelligenten Dinge" können sich als Halskette verkleiden, mit der man telefonieren kann oder etwa als ein Ring, der durch Lichtpulse anzeigt, dass jemand auf dem Smartphone anruft. Intelligente Textilien, die erkennen können, wie stark sie belastet werden, lassen sich beispielsweise für Möbel verwenden, die sich von selbst in die bequemste Form für einen Benutzer bringen.

Das Konzepz für ein Ring-Handy des Industriedesigners Tao Ma ist zugleich stylisches Schmuckstück und winziges Mobiltelefon mit einem Minimikrofon, kleinsten Knöpfen, einem edelstein-artigen Bilddschirmchen und einem eleganten, kleinen Ladestatiönchen.

Mode ist insgesamt ein zunehmend wichtiger Zugang, Technologie freundlicher, nützlicher und attraktiver zu machen. So haben australische Informatikerinnen Kleidung mit integrierten Funkchips entwickelt und dazu eine Software, die nach einer Lernphase passend zur Tages- und Jahreszeit Moderatschläge erteilt. Vielleicht wird irgendwann nur noch eine einzige Standardqualität von intelligentem Textil überleben, das jedoch in der Lage ist, seine Struktur in jede beliebige andere Stoffqualität „umzuschalten”. Die Zeit von Kleiderschränken und Koffern ist dann vorbei. Schnitte, Farben, Muster und Stoffstrukturen lädt man dann einfach aus dem Netz in sein universales schlaues Textil.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: