Wie geht es weiter mit dem Web? Die digitale Welt wird immer mehr zur Jetzt-Sofort-Alles-Maschine. Das bringt viele Vorteile, aber ebnet auch neuen Fehlern den Weg.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Menschen interessieren sich nicht für Maschinen, Menschen interessieren sich für Menschen. Das ist eine der maßgeblichen Ursachen für den raketengleichen Aufstieg der sozialen Netze. In den neunziger Jahren erinnerte das Internet mit seinen statischen Websites noch an eine Schaufensterreihe. Seit ein paar Jahren ändert sich das, und zwar rasch und in großem Umfang, hin zum Austausch - in Blogs, Foren, Chats, Online-Spielen.

Schon die Gründerväter des Internets hatten sich eine solche Ausrichtung vorgestellt - 1962 beschrieben J.C.R. Licklider und Robert Taylor ihre Vision eines Intergalaktischen Netzwerks, in dem sich Gemeinschaften bilden und der Computer eine Schlüsselrolle für die menschliche Kommunikation spielt. 1990 fügte Tim Berners-Lee dem bereits technisch verfügbaren Internet einen neuen Dienst hinzu. Am 6. August 1991 lud er in einem Forum dazu ein, den ersten öffentlich zugänglichen Webserver zu besuchen. Der Rest ist Geschichte.

Wie wird es weitergehen?

In den letzten zwei Jahrhunderten hat das Unvorhersehbare eine neue Qualität angenommen. Sie macht brauchbare Einschätzungen der Entwicklung von Technologien sehr schwierig. Im 19. Jahrhundert hatten wissenschaftliche Experimente von Physikern zu Erfindungen wie Glühbirne, Telefon und drahtloser Telegrafie geführt, die fast nichts aus einer früheren Technologie übernahmen. Diese Erfindungen waren zuvor nicht nur undurchführbar, sondern auch technisch unvorstellbar gewesen. Miniaturisierung, Digitalisierung und Vernetzung haben zu einer Beschleunigung dieses Prozesses geführt.

Die digitale Welt, ohnehin voller Wunder, wird nun magisch: Zauberei bedeutet nichts anderes, als dass alle Wünsche sofort verwirklicht werden - in „Echtzeit“. Das Web ist auf dem Weg, sich in eine Jetzt-Sofort-Alles-Maschine zu verwandeln. Und um alles für uns tun zu können, möchte das Netz alles über uns wissen. Es könnte sich zu einer dynamischen Art von Gedächtnis entwickeln. Mit Notizen, Fotos und Filmschnipseln benutzen wir heute noch weitgehend statische Hilfsmittel, um uns zu erinnern. In den nächsten Jahren könnte das Web sich zu einer immer dynamischeren Art von Gedächtnis wandeln.

Etwas, das einer Zeitreise ähnelt

Was Datenschützer heute unter dem Begriff „Profil“ zusammenfassen, nämlich die Spuren unserer Person und unseres Lebens in der digitalen Welt, bleibt in zunehmend detaillierten Verläufen verfügbar. Wer heute aufwächst, hat die Chance, später nicht nur Momente seines Lebens memorieren zu können, sondern ganze Abläufe. Wie man sich durch den Alltag bewegt hat. Wem man begegnet ist. Alles eingebettet in die zugehörigen Umgebungen, durch die man sich, wie in den Panoramen von Google Street View, nach Belieben bewegen kann. Da sie den gesamten Zeitstrom in immer höherer Auflösung nachvollziehbar macht, wird eine Art der Rückschau denkbar, die einer Zeitreise ähnelt.

Wobei ein Gegenbild des Erinnerns, das Verwechseln, bei einem Blick nach vorn eine Rolle von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit spielt. Als vor einiger Zeit die „Unesco Online Photobank“ mit ihren frei verfügbaren Bildern ans Netz ging, fand ich unter dem Schlagwort „Austria“ (ich bin Österreicher) unter anderem Fotos des „Lachenden Kookburra-Vogels“ aus den „Wet Tropics of Queensland, Austria“. Was sich an dem Beispiel zeigt, sind die Folgen des Umstiegs auf digitale Kulturträger. Der Update-Effekt, den wir bereits von Software kennen, zeigt sich auch hier. Die neue Version enthält immer auch neue Fehler.

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Und hier wie immer der Tweet der Woche: