Von Highspeed-Trading bis Facebooks Edge-Rank: Comuptergesteuerte Algorithmen bestimmen unseren Alltag. Wird der Mensch dadurch zunehmend ersetzbar?

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Algorithmen beherrschen in zunehmendem Maß die Welt. Von der automatisierten Taxierung der Kreditwürdigkeit („Scoring“) bis zu den hochkomplexen Software-Instrumenten von Hedge-Fonds entscheiden programmgesteuerte Automatismen inzwischen über die Entwicklung ganzer Volkswirtschaften. An die Stelle politischer Berater treten Computermodelle und Simulationen, die durch Datenmassen und die suggestive Gleichsetzung von Berechenbarkeit mit Zuverlässigkeit eine neue, nur schwer angreifbare Autorität ins Spiel führen.

Der Vormarsch der Algorithmisierung ist auch in anderen Regionen menschlicher Intelligenzleistungen angekommen. So hat die amerikanische Firma StatSheet eine Software entwickelt, die automatisch Basketball-Reportagen schreibt. Der Algorithmus wertet Spielstatistiken aus und kann aus Textbausteinen zusammengesetzte Artikel verfassen. Es sind keine großen Reportagen, eher Durchschnittsware, aber firmeneigene Tests haben ergeben, dass fast alle Leser glauben, der automatische Bericht sei von einem Menschen geschrieben worden. In späteren Versionen sollen Reportagen in unterschiedlichen Tonalitäten und auf die jeweiligen Leser zugeschnitten erhältlich sein.

Herausfinden, was die Maschine nicht kann

Diese Art von Konfektionierung und Personalisierung der Datenströme im Netz ist längst Gegenwart. Bei Facebook etwa wählt ein Algorithmus („EdgeRank“) zwischen fünf und 10 Prozent der Menschen aus, mit denen man insgesamt in Kontakt steht, und entscheidet dann, an welcher Stelle, wie lange und wann deren neueste Äußerungen in den sogenannten Hauptmeldungen erscheint.

Besteht die Aufgabe von realen Journalisten in Zukunft darin, herauszufinden, was die Maschine nicht kann und diese Lücken zu nutzen? Die Fragestellung greift zu kurz. Denn nicht nur die Berichterstatter lassen sich maschinell ersetzen, sondern auch der Sport selbst. Der anfälligste Kandidat für eine baldige Durchdigitalisierung des Sports ist der Schiedsrichter – es würde mehr Fairness und gerechtere Entscheidungen verheißen. Die Perfektion, die diese Art technischer Urteilsfindung nach sich zieht, trägt aber den Keim des Untergangs in sich. Roboter spielen, sie befolgen alle Regeln und ein anderer Roboter schreibt die Reportage dazu.

Unfähig zur Tragödie

Was der Maschine aber vor allem fehlt, ist die Möglichkeit zur Tragödie. Keine Frage, digitale Maschinen bieten ein Panorama an möglichen Fehlfunktionen. In den siebziger Jahren hielt ein Computer des amerikanischen Frühwarnsystems den aufgehenden Mond für anfliegende sowjetische Atomraketen und löste höchste Alarmstufe aus. Maschinen können aber nur Katastrophen verursachen, keine Tragödien.

Die moderne Form der menschlichen Tragödie besteht darin, dass der Mensch inzwischen in vielerlei Hinsicht in der Lage wäre, seine Schwächen - die ihn zum Menschen machen - mit technischer Hilfe zu überwinden. Beim Stierkampf würde es keinen Sinn machen, der Modernisierung der Waffentechnik zu folgen und den Torero statt mit Tuch und Degen mit einer Maschinenpistole auszustatten. Aber auch für Spiele wie Fußball oder Basketball wäre diese Aufrüstung tödlich.

Allzu leichter Gewinn verdirbt die Freude am Spiel. William James sagte einmal, wenn das einzige Ziel des Fußballspiels darin bestünde, den Ball ins Tor zu bringen, dann wäre die einfachste Art zu gewinnen, den Ball in einer dunklen Nacht heimlich dorthin zu tragen.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: