Online einkaufen und bargeldlos bezahlen ist zwar nichts Neues, doch noch bereiten vor allem sogenannte Micropayments Probleme. Die Zukunft des Bezahlens beginnt möglicherweise mit einer Uhr.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Geschäfte im Netz funktionieren nach wie vor hauptsächlich wie zu Zeiten der dicken Papierkataloge – mit Bezahlung per Vorkasse, auf Rechnung oder mit einem der gebührenpflichtigen Bezahlsysteme wie Kreditkarte oder PayPal. Dass es im Netz kein Kleingeld zu geben scheint, mutet merkwürdig an, auch wenn Zahlungssysteme wie Flattr - bisher allerdings vergebens - versuchen, das zu ändern. Ein Buch für 20 Euro online zu kaufen ist kein Problem; einen Zeitungsartikel, der nur ein paar Cent kosten soll, schon.

Das Problem bei sogenannten Micropayments sind die Umstände. Kleinbeträge, die möglicherweise durch Gebühren anschwellen, sind ebenso abschreckend wie ein im Verhältnis aufwendiger Registraturprozeß für einen Kleckerbetrag. Inzwischen ist es zwar möglich, in geschlossenen Bezahl-Biotopen wie iTunes einzelne Musikstücke zu kaufen, ohne dafür nervtötenden Aufwand betreiben zu müssen. Einen einzelnen interessanten Text zu erwerben wird einem aber, auch wenn man guten Willens ist, immer noch praktisch unmöglich gemacht.

Wo die digitale Krümel-Ökonomie rauschende Erfolge feiert, ist bei der Art von Werbung, mit der vor allem Google und Facebook Milliarden verdienen - mit ersteigerten Schlüsselworten verknüpfte Bildschirmkleinanzeigen, die, um soviel zu verdienen, dass es für die Überschreitung der Hobbyschwelle reicht, oft eine Reichweite brauchen, die nur im englischsprachigen Raum zu erreichen ist. Deutschsprachige Blogger, die sich dem Traum hingeben, man könne allein mit einem Blog seinen Lebensunterhalt bestreiten, wissen ein Lied davon zu singen.

Nahtloses, drahtloses Bezahlen

Heiß ersehnt ist nahtloses, drahtloses, schnelles und quasi unspürbares Bezahlen – erst einmal von Anbieterseite, da aber auch nicht von jedermann. Immerhin ist für die Einrichtung einer neuen technischen Bezahl-Infrastruktur eine oft nicht unerhebliche Investition nötig. Und dann müssen auch noch die Kunden mitspielen und eventuelle Gebühren durch Bequemlichkeiten und Mehrwert ausbalanciert werden.

In diese ganze schwierige Gemengelage stößt nun die Firma Apple mit der lang erwarteten Apple Watch vor. Viele meinen, das sei nun ein Marsch in Richtung Luxusmarke. Apple, lange schon bekannt für seinen Gestaltungsfetischismus, würde sich nun endlich offen zur Modewelt bekennen. Dass die digitale Uhr, auf deren Bildschirmchen gerade mal ein Tweet Platz hat, in den massiven Edelmetallversionen einen fünfstelligen Betrag kosten kann, macht sie eher zu einem Statusgegenstand als zu einem nützlichen Gadget.

Aber wer glaubt, dass die Zeitanzeige und ein bißchen App-Schnickschnack das zentrale Produkt einer Smartwatch sei, der täuscht sich.

Apple will nun gewissermaßen die moderne Zeit verkaufen. NFC heißt das Zauberwort – Near Field Communication. Und wer da im Nahfeld kommuniziert, das sind die Apple Watch und die Registrierkassen dieser Welt. Sie tauschen Bezahldaten aus, früher nannte man diesen Vorgang schlicht „Geld ausgeben“. Man geht an der Kasse vorbei und ist sein Geld los. Kein Graben nach der Brieftasche mehr, kein „Hätten Sie‘s vielleicht klein?“

Weder richtiges noch virtuelles Kleingeld machen mehr Probleme. Theoretisch jedenfalls, denn Apple Pay, wie das dazupassende Geldsystem heißt, ist bei uns noch nicht freigeschaltet (weshalb alle glauben, dass mit der Uhr andere Zwecke verfolgt werden).

Neu sind solche Verfahren übrigens nicht, aber weder war der MP3-Player neu, als Apple den iPod auf den Markt brachte, noch das Smartphone, als Apple das iPhone präsentierte, noch das Tablet, als die iSerie mit dem iPad vorläufig - und extrem erfolgreich - endete.

Die Art von Zahlungsmittel, das nun mit der Apple Watch Furore machen soll, gehört zu einer neuen Sorte Geld, das nicht mehr nur einfach Geld ist, sondern Geld, das Geld kostet. Den Firmen, denen der Aufbau der teuren Infrastruktur in die Hände gelegt wird, müssen wir dann jedes Mal, wenn wir Geld ausgeben wollen, Geld dafür geben, dass sie unser Geld in die Ladenkasse befördern.

Störender Widerstand beim Warenerwerb

Aber das berührungslose Bezahlen ist ein bedeutender Schritt, um störenden Widerstand beim Warenerwerb zu beseitigen. Richtig blühen kann die Wirtschaft ja erst, wenn der Abfluss von Barmitteln aus punktuellen Vorgängen in ein permanentes Geschehen umgewandelt wird, in einen Stream des Geldausgebens. Die Apple Watch soll uns dabei helfen, finanzielle Transaktionen radikal zu vereinfachen.

Die Bequemlichkeiten wären verlockend, man könnte sich ohne Brieftasche durch die Welt bewegen, wie die Queen, und vom Winzbetrag bis zur erheblichen Summe alles berührungslos bezahlen. Das aber ist zugleich auch der Nachteil, denn die ganzen Prozeduren bei der herkömmlichen Geldübermittlung und -übergabe sind nicht einfach nur lästige, wegrationalisierbare Kulturtechniken, sondern kleine Hemmnisse, mit denen der Mensch sich vor sich selbst und dem Phänomen schützt, dass einem das Geld zwischen den Fingern zerrinnt.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: