Vergangene Blicke in die Zukunft verraten uns einiges über die Gegenwart von Gestern.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

In den Fünfzigerjahren hatte die Zukunft noch Zukunft. Alles Künftige lag klar, strahlend und erfreulich vor den Instrumenten des Fortschritts. Probleme waren lösbar. Weltraum und tiefste Tiefen galten als kolonialisierbar. 1952 begann die Erforschung der Tiefsee mit einem Tauchgang des Schweizer Meteorologen Auguste Piccard. Unterwasserstädte gehören seither, ob in "Raumpatrouille" oder Bond-Filmen, zur futuristischen Grundausstattung.

Im selben Jahr war das Fernsehen in der BRD eingeführt worden - täglich zweieinhalb Stunden Programm. Zukunftsgewandte Autoren wie H.G. Wells hatten die Möglichkeiten des „technischen Träumens" längst vorhergesehen. Marvin Minsky verkündete, computererzeugte künstliche Intelligenz (KI) würde bald die menschliche übertreffen und begründete eine Wissenschaft, deren Beschäftigung seither vorwiegend darin besteht, von einer Fahnenstange auf die nächste zu klettern. (Noch in den Achtzigerjahren versuchte ein KI-gesteuertes autonomes Fahrzeug einen Baum hochzufahren, weil es die geraden Seiten des Stamms für Fahrbahnränder hielt).

Die Energiefrage galt als beantwortet. Prof. Heinz Habers Buch „Unser Freund, das Atom" wurde in Fortsetzungen im Mickymaus-Heft veröffentlicht. Ein englischer Wissenschaftler behauptete, schädliche Strahlenwirkungen ließen sich, ähnlich wie bei einer Impfung, durch das präventive Einnehmen von radioaktivem Material verhindern. Seine Frau überreichte in „Fox Tönender Wochenschau“ den beiden Kindern selbstgemachte Strontium-Lutscher.

Sowjetischen Ingenieuren schwebte eine künstliche Sonne vor, die unter einem überdachten Moskau leuchten sollte. Auch der US-Architerkt Buckminster Fuller konzipierte Kuppelstädte. Es schien, als gäbe es eine logische geometrische Abfolge des Monumentalen: Die Alte Zeit mit den Pyramiden, die Neue Zeit mit den monolithischen Wolkenkratzern, und die Neueste Zeit mit Kuppeln. Es schien um eine Art Endsieg der Zivilisation gegen die Natur zu gehen. Zwischen den Kuppelstädten waren nur noch freitragende Straßenbänder zu sehen. Die Natur war weg.

Auf Illustrationen waren die Kuppelstädte meist fensterlos. Die schönsten Aussichten gab es dem entgegen im Weltraum - hinaus ins schwarze, lebensfeindliche All. Raumfahrt-Nestor Wernher von Braun kündigte bemannte Basen auf dem Mond und dem Mars an, die wegen nachlassenden Interesses an der bemannten Raumfahrt allerdings nach Hollywood verlegt wurden.

Zeichnungen von Raumstationen zeigten wandgroße Panoramafenster oder Glasböden. In dem Film „The Right Stuff" der die Geschichte der amerikanischen Astronauten erzählt, stehen ein paar Ingenieure vor dem Modell der ersten Mercury-Raumkapsel und ein Astronaut fragt: „Wo sind die Fenster?" - „Es gibt keine Fenster", antwortet ein erstaunter Ingenieur. Vision und Wirklichkeit sind manchmal denkbar weit voneinander entfernt.

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Und hier noch der Tweet der Woche: