Was haben Digitaltechnik und das Internet in der High Fashion angerichtet? Die Idee, „Mode und Technik miteinander zu vermählen“, ist ungefähr so zeitgemäß wie Heckflossen ans Auto zu montieren.
In der Modeszene genießt Suzy Menkes einen Ruf wie Donnerhall. Die britische Journalistin, ebenso einflußreich und weitaus verbindlicher als die gefürchtete Vogue-Chefredakturin Anna Wintour, hat gerade darüber geschrieben, dass die Mode zunehmend, nun: überschattet wird von Selbstdarstellerinnen, die sich vor die Kameras einer wuchernden Medienvielfalt werfen. Eine bemerkenswerte Beobachtung angesichts der Tatsache, dass die Mode kaum einen Zweck deutlicher verfolgt als die Aufmerksamkeit auf eine Person zu lenken. Das eigentlich Interessante an Menkes Geschichte aber ist, dass es im Kern nicht um die Mode und auch nicht um die neuen Instant-Prominenten geht, sondern um das, was Digitaltechnik und das Internet in der High Fashion angerichtet haben.
Wenn etwa der „italienische Kleiderständer Anna Dello Russo“ in der Pfauenparade vor einer Modenschau auftaucht („ein wandelndes Schaufenster für Designerkleidung“), twittert die Menge um sie herum sofort wie verrückt: Was trägt sie? Überall ist es viel zu eng geworden, überall drängeln sich Fotografen, die nun nicht mehr Menschen in Paparazzo-Manier abschießen, sondern verhindern müssen, dass sie überschwemmt werden von Aufmerksamkeitsgier. Jene, „die berühmt fürs Berühmtsein sind”, kennt man über Facebook-Seiten und Blogs. Modeblogger machen sich nicht mehr einfach chic, sondern promoten Modelabels.
Als Mitte der Neunziger die Digitalfotografie aufkam, war Suzy Menkes noch begeistert – „aber ich hatte ja auch nicht den leisesten Schimmer, welche Rolle diese Technik mal übernehmen würde.“ Neben den Modeprofis sitzt nun plötzlich die ganze Welt mit in der Front Row, der ersten Reihe am Catwalk, und gibt ihren Senf dazu. „In gewisser Weise“, so Menkes, „ist die Mode damit unter das Joch der Pöbelherrschaft geraten.“
Mode ist erstaunlich unmodern
Dafür, dass die Kleidermode - die Mode der Moden - stets das Zeitgefühl treffen, ganz vorne sein und das Allerneueste zeigen will, ist sie erstaunlich unmodern. Als im letzten Herbst auf einer Modenschau von Diane von Fürstenberg in New York die Models mit Prototypen der in Entwicklung befindlichen Google-Brillen über den Laufsteg marschierten, wirkte das im unpassenden Sinn aufgesetzt. Dass es nun die Idee gebe, „Mode und Technik miteinander zu vermählen“ ist ungefähr so zeitgemäß wie Heckflossen ans Auto zu montieren.
Die Mode muß zusehen, dass sie es in die Zukunft schafft, denn die Umschlaggeschwindigkeit dessen, was gefällt und was nicht, nimmt ständig zu. Und das Problem der modischen Frequenzwechsel wird sich erst in dem Augenblick erübrigen, in dem man sich mit Lichtgeschwindigkeit umziehen kann. Farblich und strukturell umschaltbare Textilgewebe ermöglichen das ansatzweise schon jetzt. Künftig wird in Design-Datenbänken die gesamte Entwurfspalette menschlichen Modeschaffens zur Verfügung stehen, der ganze Mensch vermag sich dann in einen Film, ein Farbenspiel, eine neue Figur zu verwandeln. Biologische, quasilebende Gewebe werden der Herrschaft der Technologie das Starre und Metallische nehmen.
Der vormals behäbige Rhythmus der Saison wird überholt von einem Alles-Immer-Überall. Atemlos sind wir schon jetzt von der Geschwindigkeit, in der das Neue immer schneller neu sein muß. Eine Aufregung, ein Flimmern, ein Abenteuer. Was nicht mehr neu ist, hat gar keine Zeit mehr, alt zu werden. Auf dem Weg aus dem Geschäft ins Auto wird das Eingekaufte bereits wieder aus der Mode geraten.
Jede Woche sucht Peter Glaser seinen Lieblingstweet aus dem weltweiten Gezwischter aus. Diese Woche:
keks, schnell
— Markus Angermaier (@kosmar) 3. März 2013
Wenn Sie Peter Glaser einen "Tweet der Woche" vorschlagen wollen, kontaktieren Sie ihn unter @peterglaser.