Zunehmend geraten Kinder in den Fokus von Hightech-Überwachungsmethoden. Aber Erziehung ist etwas, das Menschen mit Menschen tun sollten, nicht Maschinen mit Kindern. 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Die Donald Duck-Geschichte „Verirrt!” („Camping Confusion”) vom August 1956 erzählt von einem Wettstreit der Erziehungsmethoden. Es gab damals neben den konservativen Verfahren der Beaufsichtigung erste Versuche, das Problem mit moderner Technik in den Griff zu bekommen.

Während eines Campingurlaubs mit seinen drei Neffen begegnet Donald einer Frau, die ihren Nachwuchs, damit er sich nicht unerwünscht selbständig macht, schlicht angeleint spazierenführt. Mit mildem Spott betrachtet Herr Duck das mühsame Menschengespann, er selbst nämlich kontrolliert seine lieben Kleinen mit Hilfe der Nuklearwissenschaft, der damals zentralen Inspirationsquelle von Zukunftsvorstellungen („Unser Freund, das Atom“). Die drei Neffen tragen hierzu kleine Kügelchen aus Uran auf ihren Mützen, mit einem handlichen Geigerzähler kann Donald sie bequem aus der Hängematte heraus einpeilen. Wie zu erwarten, wird der Versuch nach mehreren Fehlschlägen abgebrochen – zuletzt spürt Donald anstelle eines Neffen dessen verlorene Mütze in einer Höhle auf, die von einem übellaunigen Grizzly bewohnt wird.

Kleine Orwell-Apparate

Heute ist die Vorgehensweise strahlungsärmer. Eine Reihe von Herstellern hat inzwischen kleine Orwell-Apparate oder -Dienste im Angebot, mit deren Hilfe Eltern den Aufenthaltsort ihrer Sprösslinge ermitteln können, etwa den e-Zoom der Firma Securus, den man im Rucksack des Juniors verstecken kann, das handlich-bunten Amber Alert GPS-Gerät, das beispielsweise eine SMS schickt, wenn das Kind sich aus einer vordefinierten Zone entfernt, oder den FollowMee-Service, der ein Smartphone in ein GPS-Ortungsgerät verwandelt.

Die visuelle Rundumüberwachung von über das Babyfon hinausgewachsenen Kindern erlauben auch IP-Kameras, durch die man das Kinderzimmer oder die ganze Wohnung vom Büro aus per Webbrowser im Blick behalten kann. Für Erwachsene wandelt sich so – nicht zuletzt durch Fernsehformate wie Big Brother – der noch vor wenigen Jahren ausschließlich negativ besetzte Überwachungs-Begriff in eine neue Art von Unterhaltung.

Von klein auf überwacht

Kinder haben keine Lobby, welche lautstark fordert, die zunehmende Technisierung der Kinder-Kontrolle zurückzunehmen und in die Hände der Eltern oder ihrer Stellvertreter zurückzulegen. Die Erziehung von Kindern ist etwas, das Menschen mit Menschen tun sollten, nicht Maschinen mit Kindern. Oder soll nun eine Generation heranwachsen, für die es selbstverständlich ist, von klein auf überwacht, geortet und gestreamt zu werden? Wie lange wird es dauern, bis neben den Kameras Robot-Arme an der Kinderzimmerwand montiert werden, um erzieherisch eingreifen zu können - vielleicht kombiniert mit einer Bilderkennungssoftware, die verbotenes Verhalten automatisch erkennt und Sanktionen einleitet?

Ein bißchen wie die NSA schleichen sich die verschiedensten Spionagemethoden in die Kinderzimer. Hilfsmittel wie der fröhliche, blaue „Snoopstick” der Firma Cybersitter installieren laut Herstellerangaben zum Beispiel „vollständig versteckte Überwachungskomponenten“ auf dem Rechner der Jugend. Damit läßt sich die Internetnutzung des infizierten PCs einschließlich aller Tastatureingaben aus der Ferne überwachen. Beworben wird das etwa 70 Dollar teure Gerät als Überwachungsinstrument für die Internet-Nutzung von Kindern. Eifersüchtige Ehepartner oder neugierige Chefs dürften an dem handlichen Schnüffler gleichfalls Gefallen finden.

Erst Mafiosi, dann Minderjährige

Um die Dimension des Eingriffs zu illustrieren: Die „Keylogging” genannte Methode wurde das erste Mal 2002 erfolgreich genutzt, um den New Yorker Mobster Nicodemo Scarfo Jr. zu überführen, der mit illegalem Glücksspiel Geld schaufelte. Das FBI hatte speziell für diesen Fall einen von einem Trojaner einschleusbaren Keylogger namens Magic Lantern entwickelt. Nun kommen die Kinder an die Reihe.

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Und hier wie immer der Tweet der Woche: