Man kann nun auch singen, ohne gehört zu werden. Wie mag sich der Lärm von morgen anhören?

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

In einer Donald-Duck-Geschichte erfindet Herr Ingenieur Düsentrieb eine Flasche, die Geräusche verschluckt. Entkorkt man die Flasche, ist rundherum nicht mehr das Geringste zu hören. Leider klauen die Panzerknacker die Flasche und beseitigen damit eine Weile die Explosionsgeräusche beim Aufsprengen von Tresortüren. Technische Entlärmung jedenfalls wäre eine weithin erwünschte Innovation auch für rechtstreue Bürger.

„Das Ohr transponiert“, schreibt Kurt Tucholsky 1925 in „Zwei Lärme“. „Allmorgendlich versammeln sich zwei singende Klavierspielerinnen und sechs Hunde in meinem Zimmer, treffen dort zusammen, die Hunde heulen Symphonien, die Klaviere bellen, die Sängerinnen jaulen. Sie zerstören das Beste: die Ruhe.“ Und: „Es gibt vielerlei Lärme. Aber es gibt nur eine Stille.“ Die in Flaschen kann, wie Disney demonstriert, auch verhängnisvoll sein. So sehen wir immer neue Ansätze, den Lärm an der Quelle zu liquidieren.

Lautloser Lärm

Betrat man Anfang des 20. Jahrhunderts ein größeres Büro, befand man sich umgehend im Schlachtenlärm gewehrgarbenhaft anschlagender Typenhebel an den damals gängigen schweren mechanischen Schreibmaschinen. 1917 begann die Noiseless Typewriter Company in den USA „lautlose“ Schreibmaschinen zu bewerben, was zwar Quatsch war, sich aber so gut anhörte, dass der Schreibmaschinenriese Remington die Firma 1924 aufkaufte und eine eigene Noiseless-Baureihe auf den Markt brachte (Hier Werbung für das erfolgreiche Lärm-Placebo aus den Fünfzigerjahren).

Heute haben wir zeitgemäß lautlose Mäuse und, naja, stille Tastaturen, im Großen Gerätschaft wie flüsterleise Magnetresonanztomographen (die zuvor mit einem Lärmpegel um die 100 Dezibel Patienten eher unerfreuliche Erfahrungen vermittelten) und sogar scheinbar paradoxe Produkte wie lautlose Wecker.

Die Singverhinderung

Und wir haben das Noiseless Karaoke Microphone. Für gerade einmal 100 Dollar erhält man dafür etwas, das mit viel gutem Willen aussieht wie eine Kampfjäger-Sauerstoffmaske, in Wahrheit aber doch eher wie ein schwarzer Pümpel, mit dem man die eigenen akustischen Ausscheidungen wegsaugen kann. Kein Nachbar wird sich mehr gestört fühlen, wenn man losschmettert. Es ist Singverhinderung für Sänger, was für eine bemerkenswerte Erfindung – die diametrale Umkehrung dessen, was Tucholsky 1931 über Hitler sagte: „Den Mann gibt es gar nicht; er ist nur der Lärm, den er verursacht.“

Zugegeben, es sieht ein bisschen sonderbar aus, wenn man sich in Gesellschaft, während man sein Ständchen zur allgemeinen Unterhaltung beiträgt, den Schnabelhalter ans Gesicht preßt. Aber vielleicht ist das weniger schlimm, als sich eingestehen zu müssen, dass man einen Ton nur halten kann, wenn links und rechts ein Griff dran ist.

Manchen Menschen sind die Maschinen im übrigen schon zu leise. CBS News mußte am 1. April 2014 - kein Scherz - einräumen, dass einem Redakteur der Nachrichtensendung „60 Minutes“ ein „audio error" unterlaufen sei. Der Mann hatte in einem Bericht über Elon Musk, den Gründer des E-Auto-Herstellers Tesla Motors, den Sound eines herkömmlich lauten Automotors über Aufnahmen eines bedeutend leiseren Fahrzeugs von Tesla gelegt.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: