Das Werbeplakat der Zukunft hängt nicht nur in der Gegend herum, sondern es erkennt zum Beispiel, wie die Stimmung beim Betrachter ist. Dadurch können Pickel erkannt werden, bevor sie entstehen, schreibt unser Kolumnist Peter Glaser.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Das menschliche Gesicht ist nicht nur der Heilige Gral der Computergrafiker. Von den 650 Körpermuskeln befinden sich mehr als 50 im Gesicht, wo sie durch ihr komplexes Zusammenspiel für eine bemerkenswerte Ausdrucksvielfalt sorgen. Da Hardware und Software spürbare Fortschritte gemacht haben, ist das Gesicht inzwischen auch zum wichtigsten Merkmal automatischer Personenerkennung geworden. Was für die Massenverarbeitung bei Sicherheitsbehörden oder im Marketing nach neuen Möglichkeiten klingt, hört sich für die Person auf der Straße eher nach einem Alptraum an – der Verheißung, von Maschinen in der Öffentlichkeit überwacht zu werden wie eine Kuh in einer Herde.

Werbeplakate mit Kameraaugen können bereits zwischen Männern und Frauen unterscheiden, Alter und Geschlecht erkennen und sehen, ob Passanten gerade auf das Plakat schauen oder nicht. Die Einschätzung sozialem Status und von Konsumvorlieben durch die automatische Erkennung von Kleidungsdetails ist in Arbeit. Displays werden in Zukunft maßgeschneidert auf die Menschen reagieren, die vor einem Schaufenster stehen oder durch ein Warenhaus gehen. Längst erkennen Fotoapparate lächelnde Gesichter. Amerikanische und australische Polizisten setzen Gesichtserkennungstechnologie ein, um Straftäter zu identifizieren.

Geschäftsmodell Eitelkeit

Dem kontroversen Thema nähern sich die japanischen Firmen Sony und Fujitsu mit Konzepten, die auf die menschliche Sehnsucht nach Schönheit und Makellosigkeit setzen. Das „Smart Skin Evaluation Program” (SSKEP) von Sony erkennt Gesichter in einer sozusagen vorausschauenden Detailtiefe. Es ortet Hautunreinheiten, die gerade im Begriff sind, sich zu Pickeln zu entwickeln – und zwar, noch ehe das menschliche Auge sie sehen kann. Neue sogenannte CMOS-Sensoren, die auch Infrarotlicht erfassen, können anhand unterschiedlich reflektierter Lichtbereiche Veränderungen an Poren bereits erkennen, noch ehe der Inhaber der Haut selbst etwas davon mitbekommt. Durch digitale Auswertung lassen sich die entsprechenden Zonen automatisch auf dem fotografierten Gesicht markieren und in eine Art Pickel-Wetterkarte verwandeln. Die alte Grußformel „Wie geht es dir?“ wandelt sich, bald werden wir unser Smartphone fragen: „Wie geht‘s mir?“

Bei Fujitsu ist die Sache praxisorientierter. Eine „Cloud-basierte Software für Smartphones, die dir dabei hilft, deinen Hauttonus immer im Blick zu behalten“ trägt Namen „Hada Memori” („Gedächtnis der Haut“) und gibt einem Mittel zur Selbstüberwachung an die Hand. Um die Software nicht durch Lichtveränderungen oder Entfernungswechsel zu irritieren, fertigt man als erstes ein Kalibrierungsfoto seines Gesichts an. Anschließend schickt man, um die Gesichtshaut über einen längeren Zeitraum beobachten zu lassen, regelmäßig Aufnahmen an das Online-Portal des Anbieters. Bei Gefahr in Verzug (Pickelalarm!) kann man dort auch gleich verschiedene Cremes gegen Hautunreinheiten kaufen.

Und Hada Memori verfolgt nicht nur die Entwicklung verdächtiger Mikro-Pigmentierungen und Rötungen. Die Software kann die Hautdaten auch an Kosmetikspezialisten und Ärzte schicken, die einem helfen sollen, alle potentiellen Porenprobleme in den Griff zu kriegen „und Frauen dazu anzuhalten, besser auf ihre Haut achtzugeben.“ Klingt doch nach reinem Vergnügen, oder? Eine profanisierte Hightech-Version des Spiegleins an der Wand aus dem Märchen. Jede darf nun ihre eigene böse Königin sein. Und wenn man dazu noch Zwerge braucht, erzeugt man sie künftig mit einer einfachen Schrumpfgeste.

=

Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: