15 Prozent der befragten Schläfer leiden einer Studie zufolge regelmäßig unter unerfreulichen Träumen. Abhilfe könnte eine App schaffen, die Träume kontrollieren soll. Die könnte sich in Zukunft allerdings selbst zum Alptraum entwickeln.

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Der britische Psychologe Professor Richard Wiseman von der Universität Hertfordshire sucht Probanden, um eine von ihm gemeinsam mit einer Softwarefirma entwickelte iPhone-App zu erproben. Mit Dream:ON soll man seine Träume kontrollieren können. Dazu spielt die App, während der Proband schläft, Klanglandschaften und Geräusche ab, die den Träumen eine gewünschte Richtung geben sollen. Das Projekt ist die Antwort auf eine Studie Wisemans, derzufolge 15 Prozent der befragten Schläfer regelmäßig unter unerfreulichen Träumen leiden.

Um die App zu benutzen, teilt man ihr mit, wann man aufwachen möchte, sucht sich einen Weckton und ein paar musikdurchschwebte Naturklänge mit Titeln wie „Peaceful Garden“ oder „A Trip to Tokyo“ aus und legt das iPhone neben sich ans Bett. Während sich ein Schlafender in traumlosen Phasen merklich bewegt, wird er, wenn er träumt, ruhig. Den Unterschied kann das iPhone über sein Mikrofon registrieren und zu bestimmten Traumphasen die vorher ausgesuchten Klänge einspielen.

Der perfekte Traum

Wiseman möchte, wie er in einem Instruktionsvideo ausführt, den perfekten Traum produzieren können. Bis es so weit ist, werden die freiwilligen Teilnehmer seines Experiments gebeten, sich nötigenfalls sanft von ihrem iPhone wecken zu lassen und einen kurzen Bericht über ihren Traum zu verfassen, den die Berieselung nach sich gezogen hat.

Vielleicht hat jemand dann beispielsweise geträumt, dass ihn ein Axtmörder durch einen friedlichen Garten verfolgt - das sind die Dinge, nach denen der Forscher und die Firma Ausschau halten. Da der Schlafende nicht während einer REM-Phase (Traum- und Tiefschlafphase) geweckt wird, sollte er sich einigermaßen erfrischt fühlen und von seinem Traum erzählen, „gern auch auf Twitter oder geteilt mit seinen Freunden in einem sozialen Netz, vor allem, wenn einer von ihnen in einem Traum vorgekommen ist.“

Wiseman will so Daten sammeln, um zu ermitteln, wie gut die App funktioniert. Sollte das Ganze funktionieren, wird es weitere Klangkulissen geben, „manche kostenlos, andere wird man kaufen müssen.“

Das eigentlich Beunruhigende an der kleinen Geschäftsidee ist die Ansicht, Träume zu designen. Das ist nicht neu, nur die digitale Methode. Auf marokkanischen Märkten gab es schon immer Händler, die Träume verkaufen. Ende der fünfziger Jahre wurde der amerikanische Beat-Poet Brion Gysin mit seiner stroboskopischen Dreamachine berühmt, die er, angeregt durch ein Buch des Neurophysiologen William Grey Walter, gebaut hatte.

In den siebziger Jahren hatte der Selbstfindungsethnologe Carlos Castaneda mit seinen esoterischen Büchern über einen Medizinmann namens Don Juan Erfolg, in denen zwei Techniken der Zauberei ausführlich beschrieben wurden, nämlich „Pirschen“ und „Träumen“ – und zwar eine Art des Träumens, bei der man sich dessen bewusst ist, dass man träumt und sein Handeln im Traum bewusst steuern kann.

Tiefenkontrolle

Auf zeitgemäße Art rationalisiert, taucht dieses Kontrollbedürfnis in der DREAM:On-App von Wiseman wieder auf, mit downloadbaren Klangeinflüsterungen und auswertbaren Datenbeständen, die nach Vernunft und Nachvollziehbarkeit klingen, aber trotzdem diffus genug sind, um eher Gefühle zu bedienen als den Verstand. Die Frage, wie ein Traum „perfektioniert“ werden sollte und was überhaupt ein guter, was ein schlechter Traum ist, bleibt vorerst unbeantwortet. Man sollte auch nie vergessen, dass man, sofern sie durchführbar sein sollte, eine solche technisch induzierte Kontrolle nicht nur selbstbestimmt durchführen kann, sondern dass diese Kontrolle auch von außen vollzogen werden kann.

Man kann ein solches Gadget auch als Ansatz zu etwas wie rein digitalen Drogen sehen – eine Alptraumentfernungsmaschine, die einem nur noch nette, wonnige, wunderbare Träume verschafft. Eine solche Hedonisten-App würde das Dunkle und Abgründige, mit dem wir in unseren Alpträumen verhandeln, nicht zum Verschwinden bringen. Das würde sich, aus den Räumen des Wachbewusstseins und dann auch noch aus denen der Träume vertrieben, einen neuen Unterschlupf suchen müssen – wer weiß wo.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: