Bei dem Versuch, beschwingt in die Zukunft voranzuschreiten, werden gelegentlich auch Holzwege eingeschlagen

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Eine Vorstellung von der Zukunft endet in manchen Science-Fiction-Geschichten mit einem Gehirn, das in einer Nährlösung schwimmt und auf technischem Wege mit seiner Außenwelt kommuniziert. Ein merkwürdiges Inbild totaler Bequemlichkeit. Nun sehen wir unter Markenbezeichnungen wie Lazy Mug eine Entwicklung, die sich deutlich in eine solche Richtung bewegt: Edelstahlisolierte Kaffeebecher, in denen sich der Kaffee auf Knopfdruck automatisch selbst umrührt.

Ein kleiner Strudel entsteht in der warmen Flüssigkeit und zieht die Aufmerksamkeit des Kaffeetrinkers hinab. Mehr kann man eigentlich nicht falsch machen mit einem so kleinen Produkt. Der Becher ist eine multiple produktphilosophiosche Katastrophe. Davon abgesehen, dass Edelstahl kein angenehmes Material für Kaffeebecher ist, es sei denn, man mag medizinische Geräte, müssen wir an dieser Stelle über Faulheit reden, einen bedeutsamen, gern unterschätzter Antrieb des menschlichen Lebens. Der Wirklich Faule Mensch (WFM) ist im übrigen oft extrem fleißig, denn er will möglichst schnell wieder faul sein. Dazu trinkt er gelegentlich Kaffee und rührt, sofern es sich um einen bereits herangewachsenen Menschen handelt, selbst um.

Fortschritt durch Faulheit

Eine der Leitströmungen der Weltwirtschaft hat mit den vielfältigen Verwertungsformen von Faulheit zu tun. Ökonomen und Marketingmenschen nennen sie, weil sich das besser anhört, Convenience. Zu den Bequemlichkeiten zählt fast alles, was einem Arbeit abnimmt, vom Rechtwinkligschneiden von Fischstäbchen bis zur Buchbestellung vom Schreibtisch aus. Das Internet ist die mächtigste Convenience-Maschine des Planeten, denn aus fast allem, das der Faulheit entgegenkommt, läßt sich ein Geschäft machen.

Wobei der Ersatz der Umrührbewegung mit dem Löffel mich an die Frage erinnert, wie viele Iren man braucht, um eine Glühbirne reinzuschrauben (Fünf - einer steigt auf den Tisch und hält die Birne fest, vier drehen den Tisch). Hier kommen wir dem Ungeschick des selbstrührenden Bechers und der dazugehörigen Zukunftsidee näher. Ich hatte mal einen Freund, der so faul war, dass er am liebsten Joghurt aß, weil ihm jemand erklärt hatte, dass Joghurt lebt und er annahm, dass man dieses Nahrungsmittel nicht selber schlucken muß, sondern es aus eigenem Antrieb in ihn reinkriecht. Einmal hatte er ein Joghurt, aber keinen Löffel, und er war zu faul, sich aus der Küche einen zu holen. Also löffelte er das Joghurt mit dem Korpus eines Plastikfeuerzeugs, das er eingesteckt hatte. Man mag das albern finden, aber es hat auch etwas Genialisches. Etwas von der erstaunlichen Kreativität, die Faulheit immer wieder freisetzt.

Der Becher aber, der den Kaffee ohne Löffel umrührt, hilft nicht ernsthaft beim Faulsein. Für einen Scherzartikel ist er zu teuer, zudem institutionalisiert er die Sache zu einem banalen Selbstzweck. Es gibt ein trostloses Bild, sich vorzustellen, wie ein Mensch vor dem kleinen Kaffeestrudel sitzt und sich von der Tasse ansurren läßt. Der Rührbecher ist ein trauriges Stück Technik.

=

Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: