Fünf angesehene Experten haben vor mehr als 36 Jahren in dem Magazin „National Geographic“ in die Zukunft geschaut. Peter Glaser will wissen: Lagen sie richtig?

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Es gibt ein Dogma im Journalismus, über das ich mich hier gelegentlich hinwegsetzen werde: die Unterwerfung unter das Dezimalsystem. Diesem Dogma folgend sind Jubiläen ausschließlich in Schritten von fünf, zehn undsoweiter Jahren zu feiern. Aber dafür gibt es keinen vernünftigen Grund, außer dass wir fünf Finger an jeder Hand und zehn an beiden haben. Stattdessen folge ich einer sozusagen unstrukturierten Strukturierungsmethode, die mit dem Internet Furore gemacht hat, nämlich interessante Dinge zu finden, die man gar nicht gesucht hat. Im Englischen gibt es ein eigenes Wort dafür: Serendipity.

Ich habe also eine Vorausschau in die Zukunft serendipisiert, die fünf angesehene Experten im Juni 1976 - vor mehr als 36 Jahren - in dem Magazin „National Geographic“ angestellt haben. Solche Reisen zurück in die Zukunft verraten uns manches über unsere Gegenwart und die nicht nachlassenden Versuche, ins Künftige vorauszublicken. Die Expertenrunde: Buckminster Fuller (der mit den Kuppeln), Isaac Asimov (der mit den Robotergesetzen), Gerard Piel (der Herausgeber des Magazins „Scientific American“), Richard F. Babcock (eine Kapazität auf dem Gebiet der Flächennutzungsplanung) und Edmund N. Bacon (ein Stadtplaner und Architekt).

Erstaunliche Treffsicherheit

Das Bemerkenswerte an dieser Runde war die erstaunliche Treffsicherheit der Prognosen. Piel etwa spricht über die ungleiche Verteilung von Armut und Reichtum und dass es sich dabei nicht um ein „unabänderliches Problem“ handle - der zunehmende Widerstand gegen überzogene Managergehälter und Boni, den wir heute sehen, gibt ihm ebenso recht wie die Aussicht, dass das Undenkbare geschehen und das Wachstum der Wirtschaft zum Stillstand kommen könnte. Babcock sieht ganz richtig voraus, dass Umweltbelange und Mitspracherechte der Bürger eine bedeutend größere Rolle bei der Nutzung von Grundstücken spielen werden. Für Bacon ist von zentraler Bedeutung, dass die Menschheit sich nach ihrer landwirtschaftlichen Herkunft nun in eine urbane Zivilisation zu verwandeln beginnt.

Asimov („Biochemiker und Humorist“) liegt mit seinen Spekulationen über wetterfreie Städte, die unter die Erde verlegt werden und sozusagen überirdische Kolonien im Weltraum zwar ausnahmsweise daneben - dafür beschreibt er mit dem „elektronisch verbundenen globalen Dorf, in dem jeder die Möglichkeit hat, jederzeit mit jedem anderen zu kommunizieren“ bereits das Internet. Fuller beklagt die unglaubliche Ineffizienz, mit der verfügbare Technologien angewandt würden, die Energieverschwendung etwa, oder dass Maschinen, die 24 Stunden um die Uhr laufen könnten, nur 8 Stunden in Betrieb sind und Gebäude ungenutzt herumstehen („Schreibmaschinen schlummern neben erstklassiger Infrastruktur“). Die heutige Netzwelt mit ihren stets verfügbaren Servern und Services ohne Öffnungszeiten, neue Formen der Gemeinschaftsnutzung wie etwa die sogenannten Coworking Spaces oder transnational verbundene Stromnetze gäbe ihm um einiges weniger Grund zur Klage.

Immer dichter miteinander verflochten

Die größte Herausforderung sieht Buckminster Fuller darin, dass die Nationen der Welt - auf Gedeih und Verderb - immer dichter miteinander verflochten und verbunden sind und dass es in Zukunft immer weniger darum gehen wird, Unabhängigkeit zu wahren, als vielmehr Wege zu finden, wie wir gemeinsam weitermachen können.

Auch wenn die Schreibmaschinen inzwischen aufgewacht sind, bleibt doch noch einiges zu tun.

Und hier noch der Tweet der Woche, diesmal von Ahoi Polloi: