Niemand will Schlange stehen, das war schon immer so. Das Handy bietet neue Alternativen, das Warten am Schalter geschickt zu umgehen.

San Francisco - In San Francisco gibt es Restaurants, in denen man sich mit Hilfe seines Smartphones vordrängeln kann. Sie gehören der Fast-Food-Kette The Melt, die auf Grillkäse spezialisiert ist. Man kann sein Sandwich auf althergebrachte Weise bestellen, indem man sich anstellt und dann einem Angestellten sagt, was man möchte - oder man übergeht die Schlange und ordert per Smartphone, woraufhin man einen QR-Code geschickt bekommt (eines dieser pixeligen quadratischen Muster, die so etwas wie ein futuristischer Barcode sind), den man an ein Lesegerät in dem Restaurant hält.

 

Und zack, geht die Bestellung auf den Grill und ist innerhalb von zwei Minuten fertig. Ein künftiges Feature namens Geofencing soll darüber hinaus ermitteln können, wann man sich in der Nähe einer Filiale befindet und einem eine SMS schicken, ob sie nicht schon mal ein Käsesandwich auf den Grill legen sollen, falls man gerade auf dem Weg sei. 5,95 Dollar für ein Sandwich ist zwar ziemlich teuer, aber dem Fortschritt sind Opfer zu bringen.

Das Vordrängeln jedenfalls hat sich von einer uralten zu einer hochmodernen Überlebenstechnik weiterentwickelt. Eine ganze Industrie, die sogenannten Suchmaschinen-Optimierer, lebt beispielsweise davon, Einträge in den Trefferlisten bei Google so weit wie möglich nach vorne durchzuschieben. Wenn das Drängeln, im Übrigen ein nicht besonders beliebter sozialer Vorgang, außer Kontrolle gerät, kann es ungemütlich werden.

Die Frage des Wartens nur scheinbar gelöst

Als neulich im Apple-Store in Peking die ersten Exemplare des iPhone 4 verkauft werden sollten und die wartenden Massen eine Art Stampede verursachten, wurde der Laden kurzerhand geschlossen, was zu weiteren Unruhen führte. Die am Drängeln Gehinderten begannen mit rohen Eiern zu werfen. Auch wenn sie in bestimmten Dingen sehr schnell sind, haben Computer die Frage des Wartens und der Drängelnotwendigkeit nur scheinbar gelöst.

Mit der Einführung des Multitaskings ist zwar sozusagen die Einstiegsdroge in die Illusion verfügbar, der Rechner könne mehrere Menschen gleichzeitig bedienen. Nach wie vor stehen in Wirklichkeit die Bits im Chip Schlange. Dass Kommunikation, die durch Maschinen stattfindet, auf eine merkwürdige Weise privilegiert ist, ist eigentlich nichts Neues - höchstens das Ausmaß, das sie inzwischen angenommen hat.

Wo Kommunikation technisch transportiert wird, scheint ihr Wert auf eine geheimnisvolle Weise zuzunehmen. Das apparativ Mitgeteilte bekommt eine Art Blaulicht aufgesetzt. Wer in einer Schlange vor einem Schalter steht, kann sich jederzeit davon überzeugen, dass der Mann dahinter, wenn es klingelt, sofort das Telefon abnehmen wird, wie lange auch immer die Schlange sein mag. Würde man sich vordrängeln und ihm eine Münze hinlegen, um sofort dranzukommen, man würde belächelt.