Wer glaubt, die Musik der 50er und 60er sei heute verstaubtes Gedudel von vorgestern, hat sich getäuscht: Peter Kraus zeigt, wie man den Sound der Vergangenheit eindrucksvoll ins Jetzt holt – und das mit 80 Jahren.

Stuttgart - Eigentlich wäre Peter Kraus gerne Chuck Berry geworden. Ein drahtiger, selbstbewusster Rock ’n’ Roller, der mit seiner Kompromisslosigkeit die oft doch recht verschlafene Musikszene der 1950er durcheinanderbrachte. „Aber mein Produzent meinte, diese Musik sei viel zu wild“, sagt Kraus am Montagabend in Stuttgart und zuckt mit den Schultern. „Meine Songs würden vor allem von jungen Mädchen gekauft, und die wollten von mir lieber sanft und nett eingelullt werden. Also lullte ich eben.“

 

Doch ganz so einfach lässt sich Peter Kraus natürlich nicht auf das Bild des braven Teenie-Schwarms reduzieren – und das weiß er selbst nur zu gut. Bei seinem Konzert in der Liederhalle wird sein getragener Schmachtfetzen „Wenn Teenager träumen“ deshalb auch schnell wieder von einem harten Gitarrensolo abgelöst.

Mit 80 Jahren ist Peter Kraus auf seiner fünften Abschiedstour

Schon während seiner Hochphase galt Kraus im Deutschland der Nachkriegszeit schließlich als Rock ‘n Roll-Star, Entertainer und Schmusesänger zugleich. Innerhalb von nur acht Jahren produzierte er damals 36 Songs, die sich in den Charts oft gegenseitig Konkurrenz machten. Er moderierte eigene TV-Formate und trat als singender Schauspieler in einer Vielzahl von Filmen auf, oft an der Seite von Schlagersternchen Conny Froboess.

Heute ist Peter Kraus 80 Jahre alt. Doch nicht nur den runden Geburtstag und seine goldene Hochzeit feiert er in diesem Jahr, er befindet sich momentan auch auf seiner inzwischen fünften Abschiedstour, diesmal unter dem Titel „Die große Jubiläumstournee“. Da kann einer nicht loslassen, könnte man angesichts dieses Auf-Wiedersehen-Sagens in Dauerschleife denken. Da hängt wohl jemand so sehr an der Vergangenheit, dass er am Ende noch Gefahr läuft, die Erinnerung daran kaputt zu machen.

Slips auf der Bühne

Allein: mitnichten. Was Peter Kraus, begleitet von einer achtköpfigen Band, auf die Bühne bringt, ist alles andere als staubiges Gedudel von vorgestern. Gute zwei Stunden lang singt er sich von Elvis Presley über eigene Stücke bis hin zu Marlene Dietrich durch die Jahrzehnte seiner langen Jugend – und das pur, minimalistisch und technisch beeindruckend.

Songs wie Bill Ramseys „Ohne Krimi geht die Mimi“, Elvis Presleys „Viva Las Vegas“ oder „Let’s twist again“ von Chubby Checker funktionieren durch Kraus‘ klare, schnörkellose Interpretation einwandfrei im Hier und Jetzt. Zum anderen wirkt auch Peter Kraus selbst – an diesem Abend in Jeans und Sneakern – noch immer wie der jugendliche Entertainer von damals. Zwischen die Songs webt er geschickt und selbstironisch seine eigene Biografie. Den Titel „So wie ein Tiger“ habe er zum Beispiel gerade deshalb besonders gerne live gespielt, weil dabei regelmäßig Slips seiner weiblichen Fans auf die Bühne geflogen seien. „Das passiert heute auch noch“, sagt er. „Nur eben – ein paar Nummern größer.“

Wenn man Zustimmung in Form von geworfenen Unterhosen messen kann, fand Kraus‘ Rundgang durch die 50er und 60er auch beim Stuttgarter Publikum Anklang. Zumindest ein schwarzes Höschen fand letztlich seinen Weg auf die Bühne.