Peter Maffay hat bei seinem Konzert in der Stuttgarter Schleyerhalle manches anders gemacht als früher. Trotzdem bleibt er sich treu.

Stuttgart - Seit Jahrzehnten guckt Peter Maffay so entschlossen verkniffen an Kameras vorbei, als brause er gerade auf einem schweren Motorrad durch einen Sandsturm – ohne Helm und Brille. Aber auf ein paar der Fotos im Booklet seines neuen Albums „Wenn das so ist“ hat der mittlerweile 65-jährige Rockstar eine neue Meisterschaft in dieser Pose erreicht: Derart trotzig-kämpferisch wie dort blickte selbst Maffay bisher nur selten.

 

Und dann singt er in der ausverkauften Stuttgarter Schleyerhalle das dritte Lied seines mehr als dreistündigen Konzerts: „Wer liebt“ ist zugleich das dritte Lied seiner neuen CD, die er im ersten Teil seiner Show nahezu komplett und in der Originalreihenfolge präsentiert. Es enthält den kurzen Satz „Es ist aussichtslos“. Als Maffay diese drei Worte singt, stellt er einen neuen Intensitätsrekord im Peter-Maffay-Sandsturm-Blicken auf. Denn Aussichtslosigkeit ist nun so gar nicht seine Sache: Peter Maffay hat vielmehr, lange vor anderen, schon immer die Zuversicht mit harten Gitarren versöhnt. Eine gute Stunde nach „Wer liebt“ wiederholt er diesen Blick, als er seinen Titelsong „Wenn das so ist“ ankündigt, der sich Maffays Selbstverständnis nach gegen Gewalt richtet.

Seine Stimme lotet die Tiefe des Schmerzes aus

Nun ist Peter Maffay nicht nur für seinen Sandsturm-Blick berühmt, sondern auch für das manchmal drollig wirkende Pathos, mit dem er auch Sätze artikuliert, die man sich vielleicht lieber doch nicht auf den Grabstein meißeln lässt: „Weil Liebe nicht sterben kann“ (aus „Wer liebt“) ist so ein Poesiealbum-Satz. Typisch auch Maffays Ansage der eigentlich berührenden Pianoballade „Nah bei mir“ seines Keyboarders Pascal Kravetz: „Ich glaube, jeder von uns kommt irgendwann – wenn er es nicht schon gewesen ist – in die Lage, jemanden zu beweinen“, verkündet Maffay da, ehe seine kraftvoll bebende, im Lauf des Abends immer wieder gewagte Sprünge meisternde und auch in den Höhen noch immer treffsichere Singstimme tatsächlich die Tiefe des Schmerzes auslotet. Dann wieder die Sache mit den Endgültigkeitssätzen: Seine gut gemeinten Einlassungen gegen Terror und Gewalt lässt Maffay in der Aufforderung gipfeln: „Jetzt müssen wir rausgehen und mit dem ganzen Wahnsinn Schluss machen.“ Dann der Blick.

Peter Maffay kann mit derselben Leidenschaft gegen Gewalt Stellung beziehen, mit der er ein paar Minuten später eine Gitarrenverlosungsaktion als Fender-Reklame durchzieht. Doch halt: ehe er zwischendurch zum Markenbotschafter mutiert, radelt der Mann, der nicht eben für seine Ironie und schon gar nicht für seine Selbstironie bekannt ist, zum Sound eines schweren Motorrads mit einem kleinen Mountainbike über die vielfältig blinkende Kreisbühne. Und gleich nachdem er das Los gezogen hat, startet er Teil zwei seines klar strukturierten Konzerts mit kreativer Dramaturgie: Jetzt gibt’s, halbakustisch, alte Hits von anderen, „Angie“ von den Stones, „Here comes the Sun“ von den Beatles. „Heart of Gold“ von Neil Young, entspannt dargeboten. Und diese Leichtigkeit tut Maffay gut.

Gegeigte Gitarrensoli

Zuvor nämlich, im Album-Präsentationsteil, haben die E-Gitarren dominiert, manchmal vier gleichzeitig, und manchmal hat deren Wucht den feinen Sänger Maffay zu erschlagen gedroht. Doch der hat sich, in seiner Funktion als Produzent, gewehrt: Mit von Damen gegeigten E-Gitarrensoli, („Bis zum Schluss“) mit dem beherzt in Zwischenräume schlüpfenden Saxofon, mit Funk-Ausflügen – mit entschlossener als früher zelebrierter Kreativität. Maffays solide Band fabriziert längst nicht mehr nur den Stampfrock und die Standardballade, aber sie beherrscht beides weiterhin. So kann sich der Chef einerseits treu bleiben – und andererseits experimentieren.

Das größte Experiment besteht an diesem Abend vielleicht darin, dass Peter Maffay den mitunter mühsamen Part eines Peter-Maffay-Konzerts, die traditionell meilensteinfokussierte Ausleuchtung des eigenen Werkes, diesmal schwänzt: Stattdessen Teil drei: erst ein Gag mit drei Schlagzeugen gleichzeitig, dann vier in einer Mischung aus Publikumsbefragung und Zufallsgenerator gefundene Hits: „Es war Sommer“, „Eiszeit“, „Über sieben Brücken musst du gehn“ und „Sonne in der Nacht“. Maffay, der mehr noch als den Blick und die Endgültigkeitsartikulation das Wie-Maffay-Klingen zu seiner Paradedisziplin erkoren hat, verblüfft diesmal mit Freude am Andersmachen. Für seine Unerschütterlichkeit hat Peter Maffay immer schon Respekt verdient. Jetzt gewinnt er mit der Neuentdeckung seiner selbst neue Freunde. Insofern ein gelungenes Konzert.