Peter Maffay begeistert zehntausend Fans in der ausverkauften Schleyerhalle und verkörpert dabei Rollenentwürfe, die in dieser Kombination nur schwer zueinander passen wollen.

Stuttgart - Egal, was sich im Verlauf von fast fünf Jahrzehnten an Vorurteilen zu Peter Maffay im Gedächtnis festgesetzt hat: Vieles davon ist noch aktuell. Auch heute noch trägt der Altmeister der deutschen Musikszene sein Hemd zwei Knöpfe zu weit offen, knurrt sich kantig-guttural durch einen merkwürdigen Genrezwitter, der sich den Kategorien Rock und Pop aus den unterschiedlichsten Seiten nähert und sie in die verschiedensten Richtungen wieder verlässt.

 

Und er verkörpert unverdrossen Rollenentwürfe, die in dieser Kombination nur schwer zueinander passen wollen. Steppenwolf und Märchenonkel, Zeitenkritiker und Weltverbesserer, Macho und Mahner – ein diffuses Typenpanoptikum, das durch diverse Brüche und Widersprüche in seiner eigenen Biographie auch nicht glaubwürdiger geworden ist.

Ein langes Rockerleben

Im 68. Lebensjahr angekommen, bringt Maffay die verschiedenen Facetten seiner Persönlichkeit aber inzwischen recht unprätentiös unter einen Hut. Sein Konzert in der ausverkauften Schleyerhalle entpuppt sich als Event, das auch für Nicht-Maffay-Fans gute und weitgehend unaufdringliche Unterhaltung bereithält. Nicht den pathetischen Kumpelrocker erlebt man in Stuttgart, sondern einen unverkrampfter Vollblutmusiker, der gelassen auch mit geschmäcklerischen Altlasten umgeht und das „MTV Unplugged“-Format an seine Obergrenzen heranführt. Durch fast alle Dekaden seines Schaffen führt diese mit großem Besteck inszenierte Show, und sie bietet viel Gegenwert fürs Eintrittsgeld.

Die Akustik ist für Schleyerhallenverhältnisse mehr als passabel, die Videowände funkeln in HD-Qualität, und in allen Bühnenbereichen herrscht ordentlich Bewegung – einmal sogar bis hinein in die Treppe zu den Tribünenplätzen. Ein fünfzehnköpfiges, mit Könnern wie dem Keyboarder Pascal Kravetz, dem Gitarren-As Carl Carlton und den beiden Schlagwerkern Bertram Engel und Ray Cooper vorzüglich besetztes Ensemble sorgt dazu für dynamikreiche Klänge zwischen Deutschrock und Songwriter-Pop; hübschen Streicherglanz und satte Bläserpower inklusive.

Oerding und Poisel als Gäste

Und neben dem Tourneedauergast Johannes Oerding schaut auch noch der schwäbische Kollege Philipp Poisel für zwei Duette vorbei. Von „Eiszeit“ und „Liebe wird verboten“ bis „Über sieben Brücken musst du gehn“ und „Sonne in der Nacht“ musiziert sich diese spielfreudige Big Band dann bis in Southern-Rock- und Stromgitarren-Gefilde hinein – und auch zurück zu Peter Maffays Schlagervergangenheit. Auf dieses Kapitel will sein Publikum nämlich partout nicht verzichten, und prompt schunkeln die zehntausend Fans bei „Du“ und „So bist du“ so beschwingt, als würde gerade das Cannstatter Frühlingsfest eröffnet.

Immerhin: „Und es war Sommer“, seinen feuchten Jungmännertraum von 1976, handelt Maffay in der Stuttgarter Schleyerhalle in gerade mal dreißig Sekunden und im Rahmen eines Potpourris ab – manche Jugendsünden muss man wirklich nicht in aller Ausführlichkeit nacherzählen.