Er ist Künstler, Theoretiker und Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie, kurz ZMK, in Karlsruhe. Auch mit siebzig hat Peter Weibel noch große Pläne. Ein Porträt, von Adrienne Braun.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Mit Bescheidenem und Beiläufigem gibt sich Peter Weibel erst gar nicht ab. Wenn der Vorstand des ZKM in Karlsruhe etwas angeht, dann in großem Stil. Kataloge aus seinem Haus sind oft so schwer, dass man sich an ihnen einen Bruch hebt. Ausstellungen verhandeln Grundsätzliches und das große Ganze. Seit Jahren arbeitet Weibel an einer mehrbändigen Enzyklopädie der Medien. Und als er 1999 das ZKM übernahm, scheute er sich auch nicht anzukündigen, dass das ZKM jetzt „in die Weltklasse der Museen aufsteigen“ werde.

 

In der ersten Liga spielt das ZKM sicher nicht. Aber das Haus, das 1989 gegründet wurde, um Neue Medien, Kunst und Wissenschaft voranzutreiben, hat sich einen internationalen Namen gemacht, weil es Weibel versteht zu wirbeln. Immer wieder initiiert er interessante Projekte – sei es zur Restaurierung von Medienkunst oder zu App-Art.

Heute wird Peter Weibel siebzig Jahre alt, aber er ist immer noch ein Hansdampf in allen Gassen, der von Anfang an auf verschiedensten Feldern agierte. Er nennt sich selbst „Polyartist, Kunst- und Medienkurator“ – und war immer mehrgleisig unterwegs. Er studierte Literatur, Film, Mathematik, Medizin und Philosophie. Er promovierte in mathematischer Logik und war Professor von Wien bis Buffalo. Er war Direktor des Instituts für Neue Medien an der Frankfurter Städelschule, Leiter der Ars electronica in Linz und Österreichkommissär der Biennale von Venedig. Als Künstler gehörte er aber auch zu den Pionieren der Videokunst – legendär ist das Video, auf dem Valie Export ihn an die Leine legte und auf allen vieren durch Wien spazieren führte.

Der Schreibtisch ist heillos überfüllt

Weibel wurde 1944 in Odessa geboren. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter, die als „Stiegenputzerin“ nur das Nötigste verdiente, trat er an, „unsere Gesellschaft gerechter zu machen“. Er hat es aber auch immer verstanden, am eigenen Ruhm zu feilen. Er scheut sich nicht, in den ZKM-Ausstellungen auch seine eigenen künstlerischen Arbeiten zu präsentieren – ob es in „Lichtkunst aus Kunstlicht“ war, in „40 Jahre Videokunst“ oder auch bei einer DVD-Reihe zur Videokunst. Auch die ständigen Querelen und Personaldebatten nahmen erst ein Ende, als Weibel Alleinherrscher im ZKM wurde und das Museum für Neue Kunst zu einer Abteilung des Hauses runtergestuft wurde.

Unermüdlich ist Weibel künstlerisch, wissenschaftlich und administratorisch tätig, wobei auch ihm die Arbeit manchmal über den Kopf zu wachsen scheint. Zumindest schaffte es das Foto seines heillos überfüllten Schreibtischs vor ein paar Jahren in die Medien. Unentwegt scheint er neue Ideen zu produzieren, wobei es nicht immer leicht ist, ihn zu verstehen, weil er viel zu schnell spricht und seinen Zuhörern im Eifer mitunter davongaloppiert. Weibel vermag es dennoch, immer wieder zu überzeugen. Deshalb wurde er zu seinem 65. Geburtstag auch nicht etwa in den Ruhestand geschickt, sondern sein Vertrag ist immer wieder verlängert worden – der aktuelle geht nun bis 2019.

Aber wer weiß, was in fünf Jahren ist. Einer wie Weibel ist schließlich immer für Überraschungen gut. So hat er im vergangen Jahr sogar einen„Song zu Krise“ auf Youtube hochgeladen, in dem ausgerechnet er als Chef eines Medienmuseums zu einem entspannten Beat fordert: „Datendiebe, rettet und entkettet uns von allen Datenträgern.“