Mr. Pokee, Tuna, Grumpy Cat: Kaum etwas läuft im Internet so gut wie Tiere. Jetzt spannen Unternehmen die Vierbeiner als Werbeträger ein. Doch ihr Einsatz stößt an Grenzen.

Stuttgart - Für einen Instagram-Star ist Mr. Pokee ganz schön launisch. Er steht selten vor 20 Uhr auf. Lässt sich nur dann fotografieren, wenn er Lust dazu hat. Mr. Pokee ist ein Igel, allerdings kein gewöhnlicher. Er ist ein afrikanischer Weißbauchigel und lebt in einem Terrarium in Mannheim. Stachelig auf dem Rücken, aber so weich auf dem Bauch, dass man ihn kraulen kann.

 

„Können wir auch so einen haben, bütte, bütte“, wird Tanitha Girnus oft gefragt, wenn sie Fotos von ihrem Igel auf der Fotoplattform Instagram hochlädt: Mr. Pokee im Blumentopf. Mr. Pokee in der Toskana, vor mediterraner Kulisse. Mr. Pokee als Passagier eines aufblasbaren Flamingos. Girnus studiert Marketing. Sie sagt, sie habe sich sofort in den Igel verliebt. In den USA halten ihn einige schon als Haustier.

Mehr Follower als Helene Fischer

Dabei steht er auf der Liste der gefährdeten Tierarten – Züchter stellen daher hohe Anforderungen an die Halter. Ein Igel als Fotomodell, das schließt sich eigentlich von alleine aus. Doch Girnus ficht das nicht an. Sie sagt, Mr. Pokee sei eben extrem zutraulich. Nach knapp zwei Monaten hatte er schon 10 000 Follower auf Instagram. Inzwischen sind es 312 000 – mehr als Helene Fischer oder Choupette, die kapriziöse Siamkatze des Modezaren Karl Lagerfeld. Eine Agentur vertreibt Handyhüllen, Kaffeetassen, T-Shirts und andere Merchandising-Produkte mit dem Konterfei des Igels. Kleinvieh macht eben auch Mist.

In den USA sogar in Millionenhöhe. Petfluencer, so nennt man Tiere, die bei Instagram, Facebook oder YouTube irgendetwas machen, was mindestens 100 000 Follower interessiert. Was diese Tiere dann wiederum interessant für Firmen macht, die ihre Zielgruppe nicht mit klassischer Werbung erreichen. Sie suchen Markenbotschafter in den sozialen Netzwerken – wenn es sein muss, eben auch solche mit vier Beinen.

Der bekannteste von ihnen ist Grumpy Cat – eine Katze, die infolge ihrer Kleinwüchsigkeit an einem Unterbiss leidet. Sie sieht aus, als sei sie chronisch schlecht gelaunt. 2012 machte sie ein YouTube-Video schlagartig bekannt. Heute folgen ihr 2,3 Millionen Menschen auf Instagram. Grumpy Cat hat einen eigenen Manager, der immer neue Werbedeals einfädelt. Opel, Voltaren-Schmerzgel und das Katzenfutter Friskies sind nur einige Referenzen. Grumpy Cat gilt als bestbezahlteste Katze der Welt. Ihre Einnahmen sollen sich im siebenstelligen Bereich bewegen.

Tiere in der Werbung sind nicht neu. Ob die lila Milka-Kuh oder der Bärenmarke-Bär: Das liebe Vieh lieh sein Gesicht schon in der analogen Steinzeit Marken. Im Internet aber funktionieren Werbespots mit Tieren besonders gut. „Tiere stellen keine steilen Thesen auf. Sie beleidigen keinen. Sie sind einfach nur süß“, sagt Hartwig Keuntje, Gründer der Hamburger Agentur Philipp und Keuntje.

Was kann eine Katze glaubwürdig verkaufen?

Als Erfinder der PR-Kampagne für die Biermarke Astra hat er 2015 schon selbst Tiere eingesetzt. 2015 zeigte ein Online-Spot für das Bier-Mischgetränk „Astra Rakete“ Katzen, Hunde, Uhus und Schildkröten, die in einer Kneipe nach einem Schluck aus der Pulle feiern. Der Online-Spot zielte auf die Generation der YouTube-Zuschauer – und erreichte Millionen. Dennoch sei er ein einmaliges Abenteuer gewesen, so Keuntje: Als Markenbotschafter stießen die Tiere an eine Grenze. Langfristig müsse sich der Verbraucher mit dem Werbenden identifizieren können. Und das sei mit Vierbeinern schwierig. Was könne eine Katze glaubwürdig verkaufen? „Kratzbäume und Katzenfutter.“

In den USA sehen Werber das lockerer. Das zeigt das Beispiel Tuna, ein hässlicher Chihuahua-Dackel-Mischling mit Überbiss und windschiefen Zähnen. 1,9 Millionen folgen seinem Account „Tuna Melts My Heart“ auf Instagram. Tunas Frauchen, Courtney Dasher, kann sich vor Angeboten für Merchandising-Produkte kaum retten, seit sie seine Geschichte als Buch veröffentlicht hat. Sie hat ihren Job als Innenausstatterin gekündigt, um sich nur noch um die Vermarktung ihres Hundes zu kümmern.

Was ist Influencer-Marketing?

Influencer: Was machen Unternehmer, wenn sie ihre Zielgruppe nicht mehr mit klassischer Werbung erreichen? Sie bezahlen Platzhirsche der sozialen Netzwerke dafür, dass die ihre Produkte auf ihren Kanälen weiterempfehlen. Influencer – abgeleitet vom englischen „to influence“ (beeinflussen) – nennt man sie.

Wirkung:
Wie groß ihr Einfluss ist, zeigt das Beispiel der Youtuberin Bianca Heinicke (24): Wenn sie für ihre 4,5 Millionen Abonnenten auf „Bibis Beauty Palace“ einen Duschschaum bewirbt, ist er tags darauf ausverkauft.