Der Forstwissenschaftler Gerhard Strobel kritisiert den Flächenfraß und will, dass wertvolle Böden möglichst nicht mehr bebaut werden.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Murrhardt - Ernährungsschutzgebiete – das Wort klingt in den Ohren mancher Kritiker ein bisschen martialisch. Der ehemalige Bürgermeister von Murrhardt, Gerhard Strobel, fordert jetzt mit einer beim Bundestag eingereichten Petition solche Zonen. Der Kreisvorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) sagt, er handele in dieser Sache als Privatperson und erklärt auf Nachfrage, dass er womöglich auch einen anderen Begriff hätte wählen können, vielleicht Landwirtschaftsschutzgebiete. Darum geht es ihm nämlich: um den Schutz besonders guter Ackerböden wie beispielsweise auf dem Fildern oder auf dem Schmidener Feld.

 

In der Petition heißt es, der Bundestag möge beschließen, „geeignete landwirtschaftliche Flächen als Ernährungsschutzgebiete (ESG) auszuweisen“, analog zu den Naturschutzgebieten. Deutschland, sagt Strobel, sei massiv auf Importe von Lebensmitteln angewiesen. Täglich würden bundesweit aber rund 60 Hektar Flächen neu bebaut. Besonders betroffen seien oft die wertvollsten Ackerböden, denn die meisten Siedlungen und Städte seien einst auf solchen gegründet worden – aus naheliegenden Gründen. Die Menschen wollten möglichst vor ihrer Haustüre Getreide anbauen, deshalb wählten sie jene Gebiete mit den besten Böden aus.

„Nicht für alle Ewigkeit Nahrung in Hülle und Fülle“

Fast jeder Bürgermeister sei bestrebt, neue Gewerbe- und Wohngebiete auszuweisen, sagt Strobel. „So kann das aber nicht weiter gehen.“ Vom politisch gesetzten Ziel, bundesweit „nur“ noch 30 Hektar täglich zu verbrauchen sei man weit entfernt, kritisiert der Forstwissenschaftler, der von 2003 bis 2011 Schultes der Stadt Murrhardt war. Und selbst wenn die neu bebauten Flächen kleiner werden: eines Tages ist keine Freifläche mehr vorhanden, „das ist Mathematik“, erklärt Strobel trocken. Er ist sich sicher: Speziell ausgewiesene Ernährungsschutzgebiete könnten „politisch etwas bewegen“.

Einige Kritiker unterstellen dem 59-Jährigen rechtes Gedankengut, Motto: Blut und Boden. Das, sagt Strobel sinngemäß, sei ausgemachter Blödsinn und eine Unverschämtheit. Strobel war nie Mitglied einer politischen Partei, zu seiner Zeit als Bürgermeister galt er als Grünen-nah, die FDP hätte ihn mal gefragt, ob er für deren Liste bei der Kreistagswahl antreten wolle. Mit seiner Petition, die noch bis Ende Januar unterzeichnet werden kann, gehe es ihm überhaupt nicht um Parteipolitik. Er wolle schlicht darauf aufmerksam machen, dass, wenn alles weiter läuft wie bisher, „wir nicht für alle Ewigkeit Nahrung in Hülle und Fülle haben werden“.

Strobel schlägt Subventionszahlungen der EU vor

Die Verbraucher in Deutschland seien seit Jahrzehnten zwingend auf die Einfuhr von Nahrungsmitteln angewiesen. Was passiert, fragt Strobel, wenn wichtige Exportländer ihre Politik ändern? Etwa weil die hergestellten Lebensmittel vor Ort von der eigenen, stetig wachsenden Bevölkerung benötigt werden. Oder weil Staaten Zölle einführen. China sichere sich weltweit Grünflächen zur Versorgung seines Milliardenvolks. Deutschland, sagt Strobel, sei in einem Notfall gar nicht in der Lage zur Eigenversorgung. Darüber müsse im Land ohne Vorurteile diskutiert werden. Der Mann aus Murrhardt ist indes nicht blauäugig. Er geht nicht davon aus, dass sich die erforderlichen 50 000 Unterzeichner für seine Petition finden. Falls doch, dann würde Strobels Anliegen „im Regelfall“ im Petitionsausschuss des Bundestags öffentlich beraten. Der Petent würde zur Beratung eingeladen, er dürfte sein Anliegen persönlich vor den Abgeordneten des Ausschusses vorbringen.

Strobel hat sich allerdings schon Gedanken darüber gemacht, wie Ernährungsschutzgebiete konkret umgesetzt werden könnten. Landwirte, die darauf verzichten wertvolle Böden an Bauträger zu verkaufen, sollten belohnt werden – etwa mit Subventionszahlungen der EU.